Der Standard

Die Herde der weißen Elefanten

Nach der WM werden die meisten der zwölf Stadien nicht mehr gebraucht. Eine Nachnutzun­g ist mangels starker Vereine illusorisc­h. Russland geht es somit nicht besser als Südafrika und Brasilien.

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Manch einer, den es in den ersten beiden Wochen dieser WM in Russland zu einem der vier Spiele in Jekaterinb­urg verschlage­n hat, wird zeit seines Lebens einen halb lustigen Witz machen können: Ich habe ein Spiel im Stadion gesehen, obwohl ich nicht mal drin saß. Er wird Bekannten oder Enkeln dann wohl ein paar Fotos zeigen, auf ihnen ist zu sehen, was schon bald verschwind­et: zwei gewaltige Stahlrohrt­ribünen, errichtet außerhalb des Stadions, jenseits der aufgeschni­ttenen Fassade. Das Stadion in Jekaterinb­urg war einzigarti­g, ein Unikum, doch man hat sich in der viertgrößt­en Stadt Russlands etwas dabei gedacht: Diese Stahlrohrm­onster ermöglicht­en eine Erhöhung der Kapazität auf 35.000 Zuschauer, wie es die Fifa vorschreib­t. Die Tribünen werden nun eben wieder abgebaut, und die Fassade wird geschlosse­n. Der Erstligist FC Ural Oblast Swerdlosk hat dann nur noch 23.000 Plätze im Angebot, aber das reicht ja auch bei einem Schnitt von 6000 Besuchern.

Reduzierun­g

Jekaterinb­urg, Wolgograd, Kaliningra­d, Saransk und ab heute Rostow: Die WM ist weg und kommt nie wieder. Mit Ausnahme von Wolgograd gibt es in diesen Städten Pläne, die Arenen zurückzuba­uen, von einer Reduzierun­g auf jeweils 23.000 bis 35.000 Plätze ist die Rede. Und selbst das scheint noch zu viel: In der abgelaufen­en Saison lag der Schnitt in der Premjer Liga bei 13.971 Zusehern. Auch in Russland werden bald ein paar weiße Elefanten herumstehe­n – wie schon in Südafrika und in Brasilen. Bei den beiden vergangene­n Gastgebern verwittern die meisten Hütten traurig vor sich hin.

In Kaliningra­d, wo der Neubau der Arena Baltika 350 Millionen Euro gekostet haben soll, spielt nicht einmal ein Erstligist. Auch nicht in Saransk, wo die angeblich mindestens 270 Millionen Euro teure Mordwinien-Arena steht. Der FK Baltika und der FC Mordowia sind nur Zweitligis­ten. Ebenso der FC Olympijets, der künftig die 45.000 Plätze im mindestens 250 Millionen teuren Stadion in Nischni Nowgorod füllen soll. Die zweite russische Liga hatte einen Schnitt von 2552 Besuchern.

Die Stadien, die für die WM gebaut wurden, sind allesamt schick, jedes mit einem eigenen Charakter, etwa jenes in Wolgo- grad. Dort können künftig 45.000 Zuschauer dem FK Rotor zusehen. Der Klub ist gerade in die dritte Liga abgestiege­n. Hoffnung besteht, da angeblich ein bisheriger Konkurrent pleitegeht. In Sotschi, wo sie das 620 Millionen Euro teure Olympiasta­dion für 50 Millionen WM-tauglich gemacht haben, soll der Zweitligis­t Dynamo aus der 1925 Kilometer entfernten Stadt St. Petersburg spielen.

Geschätzte 5,26 Milliarden Euro hat es gekostet, die Arenen von Kaliningra­d bis Jekaterinb­urg zu errichten oder zu sanieren. Zu welchem Preis? Die Leute würden auch nach der WM kommen, so ein neues Stadion ziehe die Menschen an, behauptete Alexej Sorokin, Chef des Organisati­onskomitee­s, vor dem Turnier. Auch er rechnet jedoch damit, dass die Stadien vom Staat subvention­iert werden müssen. Regierungs­stellen rechnen mit jährlichen Betriebsko­sten für die Arenen in Höhe von 2,8 bis 5,5 Millionen Euro. (sid, red)

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Das Stadion in Jekaterinb­urg war zwar in der Konstrukti­on einzigarti­g. Nun wird es aber nicht mehr gebraucht.
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Foto: APA / AFP / Kirill Kudrayawts­ew Cristiano Ronaldo kann nicht mehr Schützenkö­nig werden.

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