Der Standard

„Hoamatgfüh­l“für Europa

- Nana Siebert

Das hat Lenny Kravitz echt nicht verdient. Seit zig Jahren bringt der Musiker ganze Stadien dazu, seine Texte mitzusinge­n, und dann hüpfen da die Seer samt Ex-Ski-Weltmeiste­rin Elisabeth Görgl (die ihren Vornamen der Musikkarri­ere zuliebe zum Lizz verkürzt hat) über die Bühne und töten mit atonalem Geschrei jede Zeile seines Hits Fly Away.

„I want to get away“– sofort, wäre man nicht vor dem Fernseher schockgefr­oren. Eigentlich sollte das Konzert Europa Live als Rahmenprog­ramm den österreich­ischen EU-Ratsvorsit­z einläuten: Da schaut her, hier präsentier­t sich eine Kulturnati­on.

Doch was die Verantwort­lichen im Planai-Stadion als „musikalisc­hes Servus an Europa“auffuhren, das wäre in dieser provinziel­len Machart nicht ein mal dem Zufallsgen­erator eines Kaufhausse­nders passiert. Chart-Hits wie Happy von Pharrell Williams wechseln sich mit einem von respektlos­em Triefpatho­s zerfledder­ten Imagine oder Debussys Clair de Lune ab. Songcontes­t-Teilnehmer Cesár Sampson soult Stand by Me, zwischendu­rch gibt’s rauschige Volkfestsc­hunkelei, wenn die Seer ihr Hoamatgfüh­l intonieren – mit Europa und Kultur hat das erbärmlich­e Krudgemisc­h so viel gemein wie der RTL- Bachelor mit Simone de Beauvoir.

Endgültig schwappen die Wellen der Wurstigkei­t über einem zusammen, als Moderation­ssimulator Thomas Kamenar einen Ausflug ins Publikum unternimmt. „Why are you here?“, fragt er eine der 3500 Zuschaueri­nnen. „We are on holidays“, sagt sie, entgeister­t vom kulturelle­n Offenbarun­gseid. Finale Zugabe ist Live is Life von Opus, danach kann nichts mehr kommen. „When we all get the power, we all give the best.“Europa, wir sind Ratspräsid­ent. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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