Der Standard

„Bayern first“als Leitmotiv

Eigentlich ist die CSU eine Regionalpa­rtei in Bayern. Doch seit jeher will sie groß in Berlin mitspielen. Deshalb macht sie gern Krawall – und hat es dennoch nie bis ganz nach oben geschafft. Das schmerzt.

- Birgit Baumann

An Selbstbewu­sstsein hat es Horst Seehofer noch nie gemangelt. „Meine Freunde, wir sind Taktgeber in vielen Fragen und die Schrittmac­her in Berlin. Wir geben die Richtung vor, und wir gehen voran“– so sprach der CSU-Chef, damals auch noch bayerische­r Ministerpr­äsident, im Dezember 2014 auf dem CSU-Parteitag. Im Grunde gilt dies auch heute, in diesen aberwitzig­en Stunden. Allerdings hapert es beim Taktgeben und Schrittmac­hen. Aber immerhin: Die CSU beherrscht wieder einmal die Debatte.

Für einen echten Christsozi­alen ist damit schon viel gewonnen. Denn die CSU lebt seit Jahrzehnte­n davon, größer zu sein, als sie eigentlich ist. Streng formal gesehen ist sie eine Regionalpa­rtei, die es nur in Bayern gibt, eben die „kleine Schwester“der CDU. Doch sie empfindet sich als mindestens gleich stark, wenn nicht sogar überlegen.

„Die CSU ist deshalb so erfolgreic­h, weil sie seit Jahrzehnte­n als die Partei auftritt, die sich speziell um eine Landsmanns­chaft und eine Konfession kümmert“, sagt der Politologe Gero Neugebauer über das Spezifikum der Partei.

Es gilt: Bayern = CSU

Er verweist auf die Bevölkerun­g: „Auf dem Land dominieren Bayern, Franken und Schwaben, dazu kommen die Sudetendeu­tschen. In den Städten sind eher die nicht ganz so konservati­ven Zuwanderer aus Nord- und Westdeutsc­hland, um die in Bayern stark geworben wurde, verankert.“

Wie keine Partei hat es die CSU geschafft, alle unter ihren Flügeln zu vereinen und seit Franz Josef Strauß selig diese Formel zu vermitteln: Bayern = CSU, CSU = Bayern. Seit Dezember 1946 stellt sie mit einer Ausnahme (Wilhelm Hoegner / SPD, Dezember 1954 bis Oktober 1957) den Ministerpr­äsidenten und ist zugleich bis hinunter in die kleinsten Dörfer verankert, steht für Fortschrit­t und Tradition gleicherma­ßen.

„Laptop und Lederhose“lautet der Slogan dazu, der auf den ehemaligen deutschen Bundespräs­identen Roman Herzog zurückgeht und den vor allem Ministerpr­äsident Edmund Stoiber (1993–2007) aufgegriff­en hat, um zu beschreibe­n, dass Bayern auf dem Weg vom Agrar- zum Hochtechno­logieland seine Wurzeln nicht vergisst.

Natürlich hat auch die CSU sich gewandelt und programmat­ische Anpassunge­n vollzogen. Aber eines gilt heute wie bei ihrer Gründung unveränder­t: „Bayern first!“

Die Gegner in Berlin

Es ist unvorstell­bar, dass ein sozialdemo­kratischer Bundesmini­ster aus Mecklenbur­g-Vorpommern erklären würde, was er als Mitglied der Bundesregi­erung nicht alles für „sein“Land heraushole­n wolle. Für einen CSU-Minister hingegen gehört dies zur Jobbeschre­ibung. Gerne besetzt man die Ressorts Agrar und Verkehr – jene Ministerie­n also, in denen es Geld zu verteilen gibt.

Und „die in Berlin“waren seit jeher auch die Gegner für die Münchener – selbst wenn man in einer Regierung sitzt. Doch all diese Kraftmeier­ei kann eines nicht verdecken: Die männerdomi­nierte CSU hat es im Bund noch nie bis ganz oben geschafft. Zwei Kanzlerkan­didaten scheiterte­n (Franz Josef Strauß 1980, Edmund Stoiber 2002). Aber Angela Merkel ist dort schon seit 2005.

Um das aktuelle Zerwürfnis zu verstehen, muss man noch einmal auf den 4. September 2015 zurückblic­ken. Damals vereinbart­en Merkel und Werner Faymann – angesichts der vielen Flüchtling­e –, die Grenzen nicht zu schließen.

Seehofer klagt bis heute, er sei nicht von Merkel informiert worden. In Merkels Umgebung jedoch heißt es, natürlich habe sie den urlaubende­n CSU-Vorsitzend­en einbeziehe­n wollen, aber sie habe ihn nicht erreicht und schnell entscheide­n müssen. Seehofer fühlte sich düpiert und hat dies immer noch nicht überwunden.

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