Gehaltserhöhung durch die Hintertür
Im Prozess von Ex-ÖIAG-Chef Rudolf Kemler gegen die Staatsholding Öbib sagte deren früherer Präsident, Siegfried Wolf, aus. Unwirsch trug er zur Erhellung bei, allerdings eher nicht zum Vorteil des Klägers.
Man könnte sagen, die Verhandlung Rudolf Kemler gegen Öbib am Montag am Wiener Handelsgericht habe schon auf dem Gang begonnen. Da hatte sich gegen zehn Uhr Siegfried Wolf vor dem Verhandlungssaal eingefunden, der ehemalige Aufsichtsratspräsident der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG; heute Öbib). Der Ex-Magna-Chef, Unternehmer, Aufsichtsratschef des russischen Automobil-Herstellers Gaz sowie Kontrollor bei Industriekonzern Miba und Sberbank Europe, war als Zeuge vorgeladen, sollte seine Erinnerungen an die Auflösungsmodalitäten von Kemlers Chefvertrag in der Öbib 2014/2015 schildern.
Vor dem Saal übergab ihm die Anwältin der Öbib seine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht. Auch, dass sich Wolf dem Verfahren als Streithelfer anschließen könnte, war Thema, er hat das aber nicht getan: „Man will mich zum Beschuldigten machen“, sagte er – in Verkennung der Tatsache, dass es sich um einen Zivilprozess handelt. Kemler hat seinen Exarbeitgeber auf rund 250.000 Euro geklagt: 100.000 Euro für nicht konsumierten Urlaub, rund 148.000 Euro seien ihm in einer Auflösungsvereinbarung versprochen worden.
Die Öbib argumentiert, diese Vereinbarung sei nie zustande gekommen, den Urlaub habe Wolf konsumiert. Zur Einordnung: Kemler war am 1. Dezember 2012 für drei Jahre zum ÖIAG-Chef bestellt worden, aus der wurde im März 2015 die Öbib. Sie führte er dann noch bis Juni 2015 weiter.
Wolf trug mit seiner Aussage zwar zur Erhellung bei, aber ungern. Es sei doch alles klar vereinbart worden, „und ich muss heute meine Zeit im Gericht versitzen“, beklagte er. Was die Richte- rin mit „Das ist Ihre Staatsbürgerpflicht“quittierte.
Im Wesentlichen ging es um die Frage, was Aufsichtsrat und Hauptversammlung (HV) beschlossen haben; was Wolf als Mitglied des Personalausschusses mit Kemler ausgemacht hat. Er habe das Mandat gehabt, die Auflösungsvereinbarung zu verhandeln, wann er damit begann, wisse er nicht mehr: „Ich habe ja tausende Termine im Kopf.“Letztlich habe er Kemler mitgeteilt, dass er seinen Urlaub bis Vertragsende im Oktober 2015 konsumieren müsse. Was der dann mit der Öbib ausgemacht habe, wisse er nicht.
Umgehung
Und wie war das mit den rund 148.000 Euro? Laut Klage waren die so etwas wie ein Gehaltsumweg. Eigentlich hätte Kemler mehr als 500.000 Euro brutto im Jahr verdienen sollen, aber dann wurden es 497.000 Euro. Und zwar, weil der Finanzminister „unmittelbar vor Vertragsabschluss ... die Begrenzung der Jahresgehälter staatsnaher Manager auf 500.000 Euro bekannt gab“. Der damalige ÖIAG-Präsident Peter Mitterbauer (Miba) habe Kemler daher einen zusätzlichen „Entgeltbestandteil“von jährlich 49.700 Euro versprochen, konstruiert war das als Pensionszusage.
Beschlossen wurde die Auszahlung in der ÖIAG-Aufsichtsratssitzung im März 2015 aber nicht, so Wolf. Zwar habe Finanzminister Hans Jörg Schelling eine Zustimmungserklärung parafiert, dann aber habe Kemler mitgeteilt, dass er interimistischer Chef der Öbib bleiben werde. Wolf: „Der Aufsichtsrat hat sich daher für den Beschluss der Auflösungsvereinbarung nicht mehr zuständig gefühlt.“Und: Man habe die Entscheidung an die Hauptversamm- lung delegiert. Dort habe der zuständige Beamte die Auflösungsvereinbarung „zustimmend zur Kenntnis genommen“. Der Beamte hatte aber als Zeuge ausgesagt, er glaube, er habe die Auflösungsvereinbarung nur „zur Kenntnis genommen“. Auf Nachfragen der Richterin wurde Wolf ungeduldig: „Ich habe tausende Aufsichtsratssitzungen. Ich weiß nicht, ob er es zustimmend oder nur zur Kenntnis genommen hat.“
Freundlich und klar sagte nach Wolf die damalige Aufsichtsrätin Brigitta ZöchlingJud aus. Die Juristin und Uniprofessorin brachte die Sache mit der Auflösungsvereinbarung so auf den Punkt: „Der Aufsichtsrat hat den Beschluss gefasst, dass er keinen Beschluss fasst.“In der HV habe es dann „keine Diskussion zu irgendetwas gegeben“, auch nicht zur Auflösungsvereinbarung.
Was sich auch erschließt: Die „Pensionszusage“sei zwar versprochen worden, habe aber der für Staatsbetriebe geltenden Vertragsschablone widersprochen. Via „Irrtumsanpassung“in der Auflösungsvereinbarung sollte dieses Problem gelöst werden. Die freilich setzte die Zustimmung des Eigentümervertreters, also des Finanzministers, voraus. Unterschrieben wurde die von Schelling aber nie, wie es vor Gericht hieß. Schelling wird daher als Zeuge einvernommen werden. In der nächsten Verhandlung. Im Februar 2019.