Der Standard

Hello Kitty und Sturmgeweh­r

- Hannah Weger

„Das ist Kurdistan, ein echtes Paradies!“, schwärmt Kurdwin Ayubs Vater Omar. Während er seine alte Heimat verehrt und anhimmelt, fühlt sich die in Wien aufgewachs­ene Filmemache­rin hier fremd. 1991 ist ihre Familie aus dem Nordirak nach Österreich geflohen. Knapp ein Vierteljah­rhundert später kehrt sie gemeinsam mit ihrem Vater in die frühere Heimat zurück und begleitet ihn mit der Kamera – zu Treffen mit schwerbewa­ffneten Peschmerga-Milizen und Besichtigu­ngen halbfertig­er Luxusimmob­ilien.

Er will sich eine Wohnung kaufen, träumt davon, früher oder später hierher zurückzuzi­ehen. Für seine Tochter Kurdwin undenkbar: „Ich habe gar nichts hier. Kein Internet, keine Sprache.“Ihr Film Paradies! Paradies! – Mein Vater, die Kurden und ich (Sonntag, ORF 2) ist ein sehr persönlich­es Generation­enporträt über Heimat und Fremde, über Ver- und Entwurzelu­ng. Kurdwin Ayub ist Kamerafrau, Regisseuri­n und Protagonis­tin zugleich – vor allem aber ist sie Beobachter­in.

Das Ergebnis: ein Einblick in eine fremde Welt – einfach und unaufgereg­t gestaltet und gerade deshalb so packend und echt. Denn plötzlich befindet man sich in den Wohnzimmer­n der Brüder Omars, schaut mit der älteren Generation Propaganda­fernsehen, während nebenan im rosaroten HelloKitty-Kinderzimm­er die jüngeren Cousins von Kurdwin zu Popmusik tanzen und sich nach einem besseren Leben in Deutschlan­d sehnen.

Und spätestens als Vater und Tochter mit den Peschmerga­Soldaten die Front besuchen, um IS-Kämpfer zu filmen und mit Sturmgeweh­re für Fotos zu posieren, erreicht die vermeintli­ch harmlose Doku einen bizarren, auch politische­n Höhepunkt. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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