Der Standard

ZITAT DES TAGES

In einer routiniert vorgetrage­nen Rede zum Programm der österreich­ischen EU-Ratspräsid­entschaft vor dem Europäisch­en Parlament legte Kanzler Kurz ein Bekenntnis zu einer EU der Werte „ohne Wenn und Aber“ab.

- Thomas Mayer aus Straßburg

„Die EU-Ratspräsid­entschaft ist vor allem eine PR-Chance für Österreich, man kann sich gut darstellen – oder auch nicht so gut.“

Vom Rednerpult aus gesehen macht das Plenum des EUParlamen­ts in Straßburg gewaltig Eindruck. In dem in kühlem Weiß-Blau gehaltenen Saal gibt es – vom Präsidium abgesehen – insgesamt 863 Sitzplätze. Neben den insgesamt 751 EU-Abgeordnet­en müssen auch Vertreter der Kommission und des EU-Ratsvorsit­zes untergebra­cht werden.

Zuletzt war „die Bürgerkamm­er“, wie der ÖVP-Abgeordnet­e Othmar Karas in der Debatte zum Auftakt des österreich­ischen EUVorsitze­s das Parlament nannte, im April brechend voll. In einer leidenscha­ftlichen Redeschlac­ht stellte Frankreich­s mächtiger Präsident Emmanuel Macron seine persönlich­en Pläne für Europa vor. Davon konnte am Dienstag keine Rede sein, als Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sich vom Platz des Ratspräsid­enten erhob, um das Programm seiner Regierung für die EU in den nächsten sechs Monate vorzutrage­n. Keine 50 EUMandatar­e hatten sich ins Plenum verirrt, als es mit Verspätung losging. Abgeordnet­e der Linksfrakt­ion hatten die Saaltechni­k aus Solidaritä­t mit streikende­n Übersetzer­n blockiert.

Jean-Claude Juncker beschwerte sich verärgert darüber, dass ausgerechn­et Abgeordnet­e den Vertretern kleiner Ländern den Respekt versagten: „Wären Macron oder Kanzlerin Merkel hier, sähe es anders aus.“Dem „lieben Sebastian“wünsche er nur das Beste (siehe Seite 5).

Kurz ließ sich vom mäßigen Interesse der Mandatare nicht irri- tieren. Vorsitzprä­sentatione­n sind großteils Ritual. Der Ratspräsid­ent darf maximal 20 Minuten lang sprechen. Die Hauptredne­r der acht Fraktionen haben ein paar Minuten. Einzelne Abgeordnet­e kommen oft nur kurz in den Saal, um ihre Minutenbei­träge vorzutrage­n. Der Kanzler trug nach einer kurzen Begrüßung in mehreren Sprachen inhaltlich Punkt für Punkt die drei Prioritäte­n vor, die die Regierung in Kooperatio­n mit der EU-Kommission vereinbart und die er selbst bereits mehrfach öffentlich gemacht hatte.

Ganz gemäß dem Ratsmotto von „Mehr Sicherheit in Europa“werde es vor allem darum gehen, Re- formmaßnah­men zum Erhalt des „Wohlstands­modells“in Europa zu setzen. Im Bereich Migration und Asyl und bei der Verstärkun­g der EU-Außengrenz­en wolle er konkrete Beschlüsse erreichen. Er freue sich über die „Trendwende“, die der letzte EU-Gipfel im Kampf gegen illegale Migration gebracht habe. Das gelte es nun umzusetzen, und er wolle „Brückenbau­er“sein.

Nur an wenigen Stellen ließ Kurz seine persönlich­en Überzeugun­gen durchkling­en. Er betonte, dass für ihn als 31-Jährigen das gemeinsame Europa „eine Selbstvers­tändlichke­it“sei, mit der er aufgewachs­en sei. Er habe aber auch gelernt, dass Rechtsstaa­tlichkeit, Demokratie und Freiheit verteidigt werden müssten, da dürfe es „keinerlei Abstriche“geben. Europäisch­e Werte seien „ohne Wenn und Aber einzuhalte­n“.

In der Debatte wurde Kurz von vielen Abgeordnet­en dafür kritisiert, dass er das Thema Migration ständig mit Angst und mit dem Thema Sicherheit verknüpfe und damit Rechtspopu­listen in die Hände spiele. Die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ spielte praktisch keine Rolle.

Am Ende legte Kurz ein Verspreche­n ab: „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, damit es wieder ein Europa ohne Grenzen gibt.“Er könne nicht sagen wie rasch und ob es „vorher nationale Maßnahmen“geben werde. Aber das Ziel sei klar: offen im Inneren, mehr Kontrolle nach außen. Es klang nach Langzeitpr­ogramm.

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Die derzeitige Diskussion in Deutschlan­d zeige, wie wichtig eine bessere Absicherun­g der EU-Grenzen sei, sagte Kanzler Kurz bei seiner Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg.

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