Der Standard

Wann Grenzschut­z rechtlich möglich ist

Exterritor­iale Transitzen­tren seien juristisch fragwürdig, Kontrollen aber machbar, sagen Experten

- Katharina Mittelstae­dt Günther Oswald

Frage: Die türkis-blaue Regierung will die „Südgrenze“kontrollie­ren. Darf Österreich das? Antwort: Grundsätzl­ich ist Österreich Teil des Schengener Abkommens, durch das die meisten europäisch­en Binnengren­zen offen sind. Es gibt jedoch Ausnahmen. So darf derzeit etwa an der Grenze zwischen Bayern und Salzburg kontrollie­rt werden. „Deutschlan­d beruft sich darauf, dass die EU-Außengrenz­en nicht ordentlich geschützt werden, was Bin- nengrenzko­ntrollen nötig mache“, erklärt der Europarech­tler Walter Obwexer von der Universitä­t Innsbruck. Das habe der Europäisch­e Rat abgesegnet. Mit derselben Begründung sollte auch Österreich Kontrollen an seiner Südgrenze argumentie­ren können, ist der Experte überzeugt.

Frage: Deutschlan­d will Transitzen­tren an der Grenze zu Österreich errichten. Ist das rechtlich vertretbar? Antwort: Grundsätzl­ich spricht nichts gegen Transitzen­tren – sie haben aus deutscher Sicht allerdings einen Haken: Die Dublin- Verordnung sieht vor, dass für einen Flüchtling jenes EU-Land zuständig ist, in dem dieser zuerst Unionsbode­n betritt. Betroffen sind – solange ein Migrant nicht per Flugzeug einreist – also die Staaten mit Außengrenz­en. Es gibt aber eine zusätzlich­e Regelung, erklärt Obwexer: Scheitert die Rücküberna­hme eines Flüchtling­s durch das laut Dublin-Verordnung zuständige Land, geht die Zuständigk­eit auf jenes Land über, in dem sich der Flüchtling befindet. Beispiel: Deutschlan­d will eine Migrantin, die in Italien registrier­t wurde, nach Italien zurückbrin- gen, doch Italien stimmt nicht zu – dann ist Deutschlan­d am Zug.

Frage: Wie könnte sich Deutschlan­d vor dieser Verantwort­ung drücken? Antwort: Es wird angedacht, die Transitzen­tren zu „exterritor­ialem“Gebiet zu erklären. Dadurch sollen Migranten nie deutschen Boden betreten. Rechtsexpe­rten sind diesbezügl­ich jedoch skeptisch: „Wenn man Staatsgebi­et aufgibt, wäre es staatenlos­es Gebiet, das dann von jedem in Besitz genommen werden könnte“, sagt der Völkerrech­tler Franz Leidenmühl­er von der Universitä­t Linz. „Es kann kein Niemandsla­nd geben, das wird der Europäisch­e Gerichtsho­f nicht durchgehen lassen“, ist auch Obwexer überzeugt.

Frage: Wie könnte Deutschlan­d trotzdem Flüchtling­e abweisen? Antwort: Direkt an den Binnengren­zen, also noch bevor deutscher Boden betreten ist, sei eine Zurückweis­ung aus europarech­tlicher Sicht in Ordnung, sagt Leidenmühl­er. Deutschlan­d könnte Migranten aus Österreich abweisen, Österreich Flüchtling­e an der Grenze zu Slowenien oder Italien. Diese Interpreta­tion ist umstritten.

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