Wann Grenzschutz rechtlich möglich ist
Exterritoriale Transitzentren seien juristisch fragwürdig, Kontrollen aber machbar, sagen Experten
Frage: Die türkis-blaue Regierung will die „Südgrenze“kontrollieren. Darf Österreich das? Antwort: Grundsätzlich ist Österreich Teil des Schengener Abkommens, durch das die meisten europäischen Binnengrenzen offen sind. Es gibt jedoch Ausnahmen. So darf derzeit etwa an der Grenze zwischen Bayern und Salzburg kontrolliert werden. „Deutschland beruft sich darauf, dass die EU-Außengrenzen nicht ordentlich geschützt werden, was Bin- nengrenzkontrollen nötig mache“, erklärt der Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck. Das habe der Europäische Rat abgesegnet. Mit derselben Begründung sollte auch Österreich Kontrollen an seiner Südgrenze argumentieren können, ist der Experte überzeugt.
Frage: Deutschland will Transitzentren an der Grenze zu Österreich errichten. Ist das rechtlich vertretbar? Antwort: Grundsätzlich spricht nichts gegen Transitzentren – sie haben aus deutscher Sicht allerdings einen Haken: Die Dublin- Verordnung sieht vor, dass für einen Flüchtling jenes EU-Land zuständig ist, in dem dieser zuerst Unionsboden betritt. Betroffen sind – solange ein Migrant nicht per Flugzeug einreist – also die Staaten mit Außengrenzen. Es gibt aber eine zusätzliche Regelung, erklärt Obwexer: Scheitert die Rückübernahme eines Flüchtlings durch das laut Dublin-Verordnung zuständige Land, geht die Zuständigkeit auf jenes Land über, in dem sich der Flüchtling befindet. Beispiel: Deutschland will eine Migrantin, die in Italien registriert wurde, nach Italien zurückbrin- gen, doch Italien stimmt nicht zu – dann ist Deutschland am Zug.
Frage: Wie könnte sich Deutschland vor dieser Verantwortung drücken? Antwort: Es wird angedacht, die Transitzentren zu „exterritorialem“Gebiet zu erklären. Dadurch sollen Migranten nie deutschen Boden betreten. Rechtsexperten sind diesbezüglich jedoch skeptisch: „Wenn man Staatsgebiet aufgibt, wäre es staatenloses Gebiet, das dann von jedem in Besitz genommen werden könnte“, sagt der Völkerrechtler Franz Leidenmühler von der Universität Linz. „Es kann kein Niemandsland geben, das wird der Europäische Gerichtshof nicht durchgehen lassen“, ist auch Obwexer überzeugt.
Frage: Wie könnte Deutschland trotzdem Flüchtlinge abweisen? Antwort: Direkt an den Binnengrenzen, also noch bevor deutscher Boden betreten ist, sei eine Zurückweisung aus europarechtlicher Sicht in Ordnung, sagt Leidenmühler. Deutschland könnte Migranten aus Österreich abweisen, Österreich Flüchtlinge an der Grenze zu Slowenien oder Italien. Diese Interpretation ist umstritten.