„Wer setzt in der EU eigentlich was durch?“
Ulrike Guerót, Professorin für Europapolitik
Standard: Welche Themen vermissen Sie auf der Agenda des EU-Vorsitzes? Guerót: Die große Frage innerhalb der EU ist: Wer entscheidet eigentlich? Wer hat das legitime Gewaltmonopol in der EU, und wer setzt eigentlich was durch? Damit, mit der Frage der Legitimität, muss man sich auseinandersetzen.
Standard: Was wird tatsächlich passieren? Guerót: Ich halte die Gestaltungsfähigkeit eines einzelnen Landes für begrenzt. Die Frage ist: Wie intelligent ist es eigentlich, den Vorsitz alle sechs Monate weiterzureichen, wenn das legitimatorische und zentrale Problem der EU ist, wer entscheidet? Ich glaube nicht, dass es in der Hand von Ratspräsidentschaften liegt, die EU strukturell voranzubringen.
Standard: Was kann und will die österreichische Bundesregierung in der EU bewirken? Guerót: Ein „Europa, das schützt“steht im Vordergrund. Aber nur Schutz reicht nicht, wichtig wären „Schutz und Vorbeugung“. Die Flüchtlingskrise wird nicht durch temporäre Maßnahmen und Transitzentren gelöst. Sondern durch ein beherztes Nach-vorn-Schauen, dahingehend, wie im 21. Jahrhundert das Verhältnis zu Afrika neu auf die Beine gestellt werden kann. Und die vielzitierte Subsidiarität macht nur in einem einheitlichen Rechtsrahmen Sinn.
Standard: Wie europafreundlich ist die Bundesregierung? Guerót: Zu sagen, wir sind für ein Europa der Vaterländer, das subsidiär ist und das schützt, klingt sehr europäisch. Aber wie viel Europa ist in dieser Box? (mhe)