Der Standard

Und also bleibt er doch

Joachim Löw hat sich entschiede­n. Er wird eine neue, von ihm zu formende deutsche Nationalma­nnschaft zur EM 2020 und zur WM 2022 in Katar führen, wo es dann ihm obliegen wird, die russische Scharte auszuwetze­n.

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Joachim Löw, den in den guten Zeiten alle gerne auch „Jogi“genannt haben, macht sich nun auf einen gefährlich­en Weg. Er wird seinen schon vor der WM abgeschlos­senen Vertrag bis 2022, bis zur kurios-umstritten­en Winter-Weltmeiste­rschaft in Katar, erfüllen.

Schon vorm Wochenende war bei einer Telefonkon­ferenz das Verbandspr­äsidium seinem Chef, Reinhard Grindel, gefolgt und sprach dem Bundestrai­ner einhellig das Vertrauen aus. Ihm, seinem Sportdirek­tor Oliver Bierhoff und beider seit 2006 ins fast Sakrosankt­e gewachsene Renommee.

Am Dienstag beriet man sich mit dem Verband. Löw, sagt Löw, spürte allgemein „trotz der berechtigt­en Kritik an unserem Ausscheide­n auch generell viel Rückhalt und Zuspruch“. Es sei weiterhin eine riesige Enttäuschu­ng da, klar. „Aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten.“

Volle Energie

Löw bleibt also. „Ich werde gemeinsam mit meinem Team analysiere­n, Gespräche führen und zum Start der neuen Saison die richtigen Schlüsse ziehen. Das alles braucht Zeit, wird aber alles rechtzeiti­g bis zum Start in die neue Länderspie­lsaison im September geschehen.“

Oliver Bierhoff „freut es sehr, dass es mit Jogi Löw weitergeht. Wir haben gestern lange zusammenge­sessen, und ich habe bei ihm die volle Energie gespürt weiterzuma­chen. Nach 14 Jahren erfolgreic­her Arbeit müssen wir nun einen Neuaufbau starten und werden uns jetzt konkret Gedanken darüber sowie über weiterführ­ende strukturel­le Veränderun­gen machen“.

Der Einwand, dass die beiden also jetzt zu tun beabsichti­gen, was vor Russland längst hätte getan werden müssen, kam von anderer Seite via Frankfurte­r Allgemeine. Die berichtete von Whistleblo­wern „aus Spielerkre­isen“und von „erfahrenen Kennern der sportliche­n und organisato­rischen Verhältnis­se im DFB“. Und diese er- zählten der Zeitung, was für jeden ohnehin mit freiem Auge zu sehen gewesen ist: von der Spaltung der Mannschaft und der Sorglosigk­eit des Trainersta­bes, der mit geradezu austriakis­cher Zuversicht meinte, es werde irgendwie gehen. Ging aber nicht, wie man gegen Mexiko, Schweden und Südkorea sehen konnte.

Dass Löw Kapitän Manuel Neuer nach dessen Verletzung einen Sonderstat­us einräumte, soll „für einige Spieler“ein Problem gewesen sein. Löw habe damit „dem Leistungsg­edanken und der Leistungsg­erechtigke­it geschadet“.

Ältere seien bevorzugt, so manche Junge wie Leroy Sané von Manchester City wurden gar nicht mitgenomme­n. Löw erklärt damals: „Leroy ist vielleicht in den Spielen der Nationalma­nnschaft noch nicht so ganz angekommen.“Kolportier­t wurde, dass er mit Leroy nicht ausgekomme­n sei.

Dass Joachim Löw die Angelegenh­eit ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist – in der aktiven Form: Er hat die Zügel schleifen lassen –, war in jedem der drei Gruppenspi­ele zu sehen. Der Weltmeiste­r, der sich stets als „die Mannschaft“dargestell­t hat, war keine. Und das ist natürlich schon eine Trainersac­he.

Taktische Unsicherhe­iten

Ebenso die mit Hände zu greifende Unsicherhe­it, dieses Nichtteam, aus dem früher taktische Finessen wie von selbst gesprießt sind, taktisch auszuricht­en. Im Vorfeld sprach Löw – und alle anderen – selbstgewi­ss von der herzustell­enden Dominanz, mithilfe derer man sich die Gegner „herrichten“könne wie einen Gabelbisse­n. Nach dem 2:1 gegen Schweden meinte er noch: „Das war ein Sieg der Moral.“In Wahrheit war es das Korn, das halt auch einmal jenes blinde Huhn finden mag, als welches Deutschlan­d heuer zur WM geflogen ist.

Der Spiegel Online betitelte einen Schnellkom­mentar zu Löws Verbleib „Der Aussitzer“. Aber als solcher ist er im Deutschlan­d dieser Tage ja eh in bester Gesellscha­ft. (sid, wei)

 ??  ?? Ein bisserl Zeit hamma noch: Joachim Löw, seit 2006 deutscher Chefcoach, erlag den Lockungen des DFB und bleibt Bundesjogi.
Ein bisserl Zeit hamma noch: Joachim Löw, seit 2006 deutscher Chefcoach, erlag den Lockungen des DFB und bleibt Bundesjogi.

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