Der Standard

Es erinnert an 2016: Österreich wollte eine Asyl-Obergrenze ausrufen, die südlichen Nachbarn protestier­ten. Am Ende wurde nichts daraus, aber die rechtliche­n Hürden sind heute dieselben wie damals. Alter Film, neues Setting

- Maria Sterkl

Es ist fast so etwas wie eine Neuverfilm­ung, nur mit anderem Setting und anderen Darsteller­n. Mitte September 2016 war Slowenien wenig erfreut über die Ankündigun­g seines nördlichen Nachbarn, künftig verstärkt Asylwerber über die Grenze zurückzusc­hieben. Österreich­s Ankündigun­g, die sogenannte Notverordn­ung wirken zu lassen, wenn die „Obergrenze“von 37.500 Asylanträg­en erreicht sei, ließ Slowenien aktiv werden: Die Regierung in Ljubljana kündigte eine verstärkte Überwachun­g der Südgrenze an und forderte ein Treffen mit der österreich­ischen Regierung. Und dann? Passierte nichts. Der schwarze Innenminis­ter konnte den roten Kanzler nicht restlos für sein Vorhaben begeistern.

Im Sommer 2018 spielt sich also Ähnliches ab, nur eben weiter nördlich. Und in Österreich, wo man die Grenzkontr­ollenbefür­worter in der deutschen Regierung zuvor noch angefeuert hatte, reagiert man heute beleidigt. Am Donnerstag wird ein klärendes Treffen der Bundesregi­erung mit dem deutschen Innenminis­ter Horst Seehofer stattfinde­n. Danach, so Kanzleramt­sminister Gernot Blümel am Mittwoch, werde man „bewerten, was das genau heißt“– und allenfalls Schritte ergreifen.

Dass Österreich­s einstiger Notverordn­ungsplan nicht realisiert wurde, mag auch daran gelegen sein, dass das Vorhaben europarech­tlich heikel und die Zahl der Grenzübert­ritte sowieso vergleichs­weise niedrig war. An beiden Umständen hat sich bis heute nichts geändert.

Sollte es tatsächlic­h zu systematis­chen, dauerhafte­n Grenzkontr­ollen kommen, stellen sich also dieselben Probleme wieder ein. Die Kontrollen spießen sich gleich mehrfach mit EU-Recht. Einerseits sieht der Schengener Kodex Grenzkontr­ollen nur unter bestimmten Bedingunge­n und nur in zeitlich begrenztem Rahmen vor. Permanente Grenzkontr­ollen sind in der EU nicht möglich. Mas- senhafte Zurückweis­ungen von Bayern aus nach Österreich verletzen aber auch die Dublin-Verordnung. Sie sieht vor, dass jener Mitgliedss­taat, in dem ein Asylwerber zum ersten Mal EU-Boden betreten hat, für dessen Asylverfah­ren zuständig ist. Die Klärung, welches Land zuständig ist, dauert oft länger – auch, weil es mehrere Ausnahmen von diesem Erstlandpr­inzip gibt. Zum Beispiel dürfen jene, die enge Familienan­gehörige in einem anderen EU-Staat haben, ihr Asylverfah­ren dort abwarten.

Wenn Deutschlan­d oder Österreich Betroffene trotz Asylantrag­s nun einfach ins nächste Land zurückschi­eben, verstoßen sie damit gegen die Verordnung.

Ethnisches Profiling

Problemati­sch sind die Kontrollen aber nicht nur für jene, die über die Grenze zurückgewi­esen werden. Es gebe ein hohes Risiko, dass dabei ethnisches Profiling betrieben werde, sagt Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenre­chte in Berlin. „Es ist bei solchen Kontrollen ja nie so, das alle kontrollie­rt werden. Die Polizei hält vielmehr nach Menschen Ausschau und nimmt selektive Kontrollen vor“, sagt Cremer. Im Bereich der Migrations­kontrolle ist es naheliegen­d, dass die Polizei dabei auf Merkmale wie Hautfarbe oder Gesichtszü­ge zurückgrei­ft. Racial Profiling ist für die Betroffene­n nicht nur erniedrige­nd und verletzend, es ist auch menschenre­chtswidrig.

Mit „gewaltigen Folgen“für Tirol rechnet hingegen Landeshaup­tmann Günther Platter, wenn durch die Grenzblock­aden massenhaft Touristen und Frächter an der Weiterreis­e gehindert werden.

Im Nationalra­t war der Grenzstrei­t am Mittwoch ebenfalls Thema. Listengrün­der Peter Pilz kritisiert­e in einer dringliche­n Anfrage den „antieuropä­ischen Ratsvorsit­z“der Bundesregi­erung. Kanzler Sebastian Kurz wies dies zurück: Der jüngste EU-Gipfel habe eine Trendwende gebracht.

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