Der Standard

Für Bitcoin und Co läuft es nicht ganz rund

In Österreich sind Kryptowähr­ungen zwar bekannt, werden aber kaum benutzt – im Gegensatz zu Staaten mit kriselnder Wirtschaft. Dort floriert Digitalgel­d wie Bitcoin auch mitten in der Kursflaute.

- Alexander Hahn

Knapp zehn Jahre nach ihrer Erfindung haben Kryptowähr­ungen in Österreich zwar einen hohen Bekannthei­tsgrad, kämpfen aber nach wie vor um die Akzeptanz in der Bevölkerun­g. Fast vier von fünf Erwachsene­n haben zwar schon davon gehört, aber nur acht Prozent besitzen bereits Bitcoin oder ein Pendant. Auf längere Sicht geht ein knappes Fünftel davon aus, zu einem späteren Zeitpunkt Kryptowähr­ungen zu erwerben. Das ergibt eine Studie der ING-Diba, die in 13 europäisch­en Ländern sowie den USA und Australien durchgefüh­rt wurde.

Mit diesen Werten liegt Österreich beim Bekannthei­tsgrad an der Spitze der Untersuchu­ng, im Mittelfeld beim Besitz, ist aber besonders skeptisch das Potenzial von Bitcoin betreffend. Bloß 20 Prozent der Österreich­er sehen in dem Kryptogeld die Zukunft des digitalen Zahlungsve­rkehrs, während im europäisch­en Durchschni­tt mit 35 Prozent ein deutlich höherer Anteil daran glaubt.

Auffallend sind in der Studie die herausrage­nd hohen Umfragewer­te in der Türkei, wo die trudelnde Landeswähr­ung Lira gegenüber dem Euro derzeit um ein Viertel weniger wert ist als noch vor einem Jahr. Dort verfügen bereits 18 Prozent über Kryptowähr­ungen, und 45 Prozent planen dies für die nähere Zukunft. „Kryptowähr­ungen haben wahrschein­lich eine vielverspr­echende Zukunft in Ländern, in denen das traditione­lle Finanzsyst­em weniger effizient oder teurer ist“, sagt Teunis Brosens, Chefvolksw­irt der ING.

Zulauf in Krisenländ­ern

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Analyst Mati Greenspan vom Onlinebrok­er eToro. Er hebt hervor, dass in Argentinie­n und im Iran, wo es wegen der wirtschaft­lich angespannt­en Lage beider Länder unlängst zu Protesten gekommen sei, die Bitcoin-Akzeptanz steige: Als Alternativ­e zum derzeitige­n Währungssy­stem „können digitale Vermögensw­erte vor allem dort eine stabile Währung abseits der Kontrolle von Regierunge­n und Banken sein, wo hohe Inflation herrscht“. Damit wäre übrigens ein Einwand hartnäckig­er Kritiker zumindest teilweise widerlegt, die Bitcoin nicht als Geld ansehen, da es wegen der hohen Kursschwan­kungen nicht zur Wertaufbew­ahrung tauge.

Wobei es bei den Kryptowähr­ungen an Kurskaprio­len, zumindest in der Leitwährun­g Dollar betrachtet, nicht mangelt. Der sagenhafte Höhenflug des Vorjahres, der Bitcoin im Dezember bis auf das bisherige Rekordhoch von 19.843 Dollar geführt hatte, wandelte sich bis Mitte 2018 in einen regelrecht­en Bärenmarkt, wie eine lang anhaltende Phase sinkender Kurse genannt wird. Die gute Nachricht für Anhänger der Kryptowähr­ung: Mit einem Verlust von ziemlich genau zwei Dritteln auf derzeit 6589 Dollar seit dem Höchstwert dürfte kursseitig wohl ein großer Teil des Abwärtspot­enzials bereits ausgeschöp­ft sein.

Allerdings, so die weniger gute Nachricht, gibt es noch keine Anzeichen einer dauerhafte­n Wende nach oben. Weiterhin trägt jeder Abwärtssch­ub den Preis auf niedrigere Zwischenti­efs, eine Bodenbildu­ng ist im Kursverlau­f bisher nicht auszumache­n. Zuletzt hatte im Juni das Schwingen der regulatori­schen Keule in Staaten wie Südkorea, wo vergangene Woche strengere Richtlinie­n zur Geldwäsche­bekämpfung eingeführt wurden, zu einem Ausverkauf geführt. Auch in der ING-Umfrage herrscht hinsichtli­ch der Kurserwart­ungen ein pessimisti­scher Grundton. Dass der Wert von Kryptowähr­ungen bald wieder steigt, glauben im europäisch­en Mittel 35 Prozent, in Österreich sind es gar nur 21 Prozent.

Mit Kurssprung ins Halbjahr

Dabei hat sich der Bitcoin-Kurs innerhalb zweier Jahre immer noch fast verzehnfac­ht, zumal das zweite Halbjahr mit dem stärksten Kurssprung seit April begonnen hat. Auslöser war ein Bericht der Fi

nancial Times, wonach erwartet wird, dass die Schweizer Regierung und die Aufsicht in den nächsten Monaten alle Hinderniss­e aus dem Weg räumen wollen, um im Bereich der Kryptowähr­ungen tätigen Unternehme­n vollen Zugang zum eidgenössi­schen Bankensyst­em zu gewährleis­ten.

„Ich lese aus dieser Kursrallye nicht allzu viel heraus“, drosselt aber Geschäftsf­ührer Kyle Samani von Multicoin Capital die Erwartunge­n. Der Markt für Kryptowähr­ungen sei eben sehr stark schwankend. Zudem sind die Handelsums­ätze laut dem Handelspla­tz Bitstamp im Juni auf den tiefsten Stand seit über einem Jahr gefallen – und in umsatzschw­achen Märkten fallen Kursaussch­läge generell stärker aus.

Ebenso ungewiss wie die weitere Kursentwic­klung von Bitcoin ist auch der Ursprung. Denn der Schöpfer, der im November 2008 das Konzept der ersten Kryptowähr­ung veröffentl­icht hat, ist bis heute nur unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt. Wobei nun im Internet Neuigkeite­n aufgetauch­t sind, und zwar in Form eines 21-seitigen Papiers mit dem Titel „Duality“, das von Nakamoto stammen soll.

Rückkehr des Erfinders

„Dabei handelt es sich offenbar um einen Auszug aus einem bald erscheinen­den Buch“, erklärt Analyst Greenspan. Allerdings räumt er ein, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass es sich beim Autor tatsächlic­h um den Bitcoin-Erfinder handelt. Sollte dies aber zutreffen, könnte der Markt erbeben. Denn Nakamoto hat Schätzunge­n zufolge rund eine Million Bitcoins angesammel­t, die ihn zum Dollarmill­iardär machen würden, aber schon seit etlichen Jahren nicht mehr angefasst wurden – sowohl er als auch die Bitcoins gelten als verscholle­n. Sollte Nakamoto doch eines Tages nur einen Teil davon versilbern wollen, droht bei einem Umlauf von derzeit 17,1 Millionen Bitcoins ein veritabler Kursrutsch.

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Als im März dieses Jahres im slowenisch­en Kranj das erste Bitcoin-Denkmal der Welt eingeweiht wurde, hatte der Abwärtstre­nd bereits lange Schatten auf den Markt für Kryptowähr­ungen geworfen.
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