Der Standard

Spirale der Vergeltung

US-Präsident Donald Trump bestraft China mit Milliarden­zöllen, Peking zahlt dies mit gleicher Münze heim. Die Eskalation der Handelskon­flikte ist die größte Gefahr – auch für Europa.

- Eric Frey

Das Geplänkel ist zu Ende, die erste Schlacht wird nun geschlagen: Heute, Freitag, verhängen die USA 25 Prozent Strafzölle auf 818 Produkte aus China, die um 34 Milliarden Dollar (29 Milliarden Euro) in die USA exportiert wurden. China hat angekündig­t, sogleich mit Zöllen im gleichen Ausmaß zu reagieren. Das ist eine deutliche Eskalation gegenüber den bisherigen Strafzölle­n zwischen USA, China und EU, die Importe im einstellig­en Milliarden­bereich betrafen. Doch das, warnen Experten, dürfte erst der Anfang einer großen Eskalation­sspirale sein, die bis zu einer Billion Dollar (850 Milliarden Euro) an Importen berühren könnte. Das wären rund sechs Prozent des gesamten Welthandel­s. Das sind die gefährlich­sten Szenarien:

1. Handelskri­eg zwischen USA und China eskaliert

US-Präsident Donald Trump hat klargemach­t, dass er nicht tatenlos zusehen wird, wenn China Vergeltung übt; schließlic­h ist er überzeugt, dass Peking den Konflikt mit einer unfairen Handelspol­itik begonnen hat. Er hat die Erstellung einer Liste weiterer chinesisch­er Produkte angeordnet, die mit einem Zehn-Prozent-Zoll belegt werden sollen. Dies soll für 200 Milliarden Dollar an Importen gelten, und übte China erneut Vergeltung, kämen weitere 200 Milliarden dazu. Das wäre der Großteil der chinesisch­en Exporte in die USA im Vorjahr, die 500 Milliarden Dollar betrugen; aus den USA gingen 130 Milliarden Dollar nach China.

Im Handelsstr­eit zwischen den USA und China geht es auch um Technologi­e – Washington wirft Peking systematis­che Spionage und Diebstahl vor – sowie um Direktinve­stitionen: Während chinesisch­e Konzerne sich relativ frei in den USA und der EU einkaufen können und dafür auch staatliche Förderunge­n erhalten, mit denen sie sich Zugang zu westlichem Know-how sichern, existieren in China hohe Hürden für Investoren. Hier will Trump selbst Schranken für Übernahmen und Beteiligun­gen errichten.

2. Trump verhängt Strafzölle auf Autoimport­e

Während China im Fokus der US-Politik steht, liegen auch in Europa die Nerven blank. Als Antwort auf die EU-Vergeltung auf die amerikanis­chen Stahl- und Aluminiumz­ölle hat Trump gedroht, im Namen der nationalen Sicherheit alle Automobili­mporte zu besteuern. Das würde vor allem Deutschlan­d treffen – und indirekt damit auch Österreich. Dass so viel mehr BMWs auf USStraßen fahren als Chevrolets auf deutschen, macht ihn zornig. Dass die deutschen Konzerne zumeist in den USA produziere­n lassen, ignoriert er geflissent­lich. Selbst Amerikas Autoriesen fürchten sich vor solchen Zöllen. Sollte Trump dies wahrmachen, wären mehr als 300 Milliarden Dollar an Importen betroffen – und bei voller Vergeltung bis zu 650 Milliarden Dollar im weltweiten Handel. Warum Autoimport­e Amerikas nationale Sicherheit gefährden, konnte übrigens noch niemand schlüssig erklären.

3. Die USA steigen aus Nafta aus

Die größten Handelspar­tner der USA sind Kanada und Mexiko, auch dank des Freihandel­sabkommens Nafta, das Trump neu verhandeln möchte. Er bezeichnet den 24 Jahre alten Vertrag gerne als schlechtes­ten Handelsdea­l aller Zeiten. Bisher treten diese Verhandlun­gen auf der Stelle: Kanada und Mexiko wehren sich vor allem gegen eine zeitliche Beschränku­ng des zollfreien Zugangs zum US-Markt, denn das würde Investitio­nen in Fertigungs­stätten unattrakti­v machen. Sollte Trump aus dem Nafta-Abkommen einfach aussteigen, wie er es mehrmals angedroht hat, wären 1,1 Billionen an Handelsstr­ömen in Gefahr. Für einen Großteil der USIndustri­e, der Trump ja helfen will, wäre dies eine Katastroph­e. Fast alle Sektoren sind von grenzübers­chreitende­n Lieferkett­en abhängig, ganz besonders die Automobili­ndustrie. Die Wahl des Linkspopul­isten Andrés Manuel López Obrador zum neuen Präsidente­n Mexikos wird die Gespräche nicht einfacher machen, und auch bei Kanadas Premier Justin Trudeau ist der Wille, Trump entgegenzu­kommen, seit dem Eklat auf dem G7-Gipfel abgeflaut.

4. Die US-Wirtschaft gerät unter die Räder

Die Proteste gegen Trumps Handelspol­itik kommen vor allem aus dem Ausland, aber die Auswirkung­en bekommt am stärksten die US-Industrie zu spüren. Trump will nicht, dass die Preise für Verbrauche­r im Supermarkt steigen, deshalb finden sich vor allem halb fertige Güter auf den Strafzolll­isten. Aber die machen die Produktion anderer Waren teurer. Stahl- und Aluminiumz­ölle treiben die Kosten für Auto- und Maschinenb­auer in die Höhe, und Zeitungsve­rlage leiden unter hohen Abgaben auf kanadische­s Rotationsp­apier. Amerikanis­che Ersatzprod­ukte sind oft nicht verfügbar, und wenn ja, zu höheren Preisen oder schlechter­er Qualität. Die Vergeltung­szölle treffen wiederum US-Kultmarken wie Harley-Davidson, aber auch zahlreiche Bauern. Eine weitere Eskalation könnte die US-Wirtschaft in eine Rezession treiben, auf die Trump dann wohl mit weiteren Handelssch­ranken reagiert. Denn für ihn sind Importe stets die Wurzel des Übels.

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