Der Standard

Eine Protestakt­ion ist keine Betriebsve­rsammlung

Betriebsve­rsammlunge­n sind für die Belegschaf­t ein beliebter Weg, um ihren Unmut kundzutun. Doch wenn es nicht um betriebsbe­zogene Fragen geht, wird das Treffen zum Kurzstreik – und in vielen Fällen rechtswidr­ig.

- Jana Eichmeyer Karolin Andréewitc­h

Anlässlich der beschlosse­nen Arbeitszei­treform finden derzeit in ganz Österreich Betriebsve­rsammlunge­n statt, die einerseits der Informatio­n der Mitarbeite­r über die gesetzlich geplante Ausweitung der Höchstarbe­itszeitgre­nzen und deren Auswirkung­en und anderersei­ts der allgemeine­n Unmutsäuße­rung über das Regierungs­vorhaben dienen. Für die Betriebe haben diese Betriebsve­rsammlunge­n oftmals erheblich nachteilig­e Auswirkung­en, weil sie zu Arbeitsver­zögerungen und Produktion­sausfällen führen können.

Grundsätzl­ich finden Betriebsve­rsammlunge­n mindestens einmal pro Kalenderha­lbjahr sowie bei Bedarf statt. Das Arbeitsver­fassungsge­setz (ArbVG) regelt die zulässigen Gegenständ­e einer Betriebsve­rsammlung und nennt dabei u. a. die Behandlung von Berichten des Betriebsra­tes bzw. Betriebsau­sschusses.

Als Gegenstand für die aktuell stattfinde­nden außerorden­tlichen Betriebsve­rsammlunge­n zur Arbeitszei­treform kommt eine solche „Berichtsbe­handlung“grundsätzl­ich in Betracht. Voraussetz­ung hierfür ist jedoch die Betriebsbe­zogenheit, also ein unmittelba­rer Zusammenha­ng zwischen dem Berichtsge­genstand und den betrieblic­hen Abläufen.

Eine solche Betriebsbe­zogenheit ist im Rahmen der aktuellen Thematik dann gegeben, wenn in der Betriebsve­rsammlung sachliche Informatio­nen zu konkreten, betrieblic­hen Auswirkung­en der Arbeitszei­treform erteilt werden – so etwa allfällige­r Anpassungs­bedarf von bestehende­n Gleitzeitv­ereinbarun­gen oder aktuell geltenden Schichtplä­nen. Sollte in der „Betriebsve­rsammlung“jedoch nur generell über das Regie- rungsvorha­ben berichtet werden, wäre die Betriebsbe­zogenheit zu verneinen. „Betriebsve­rsammlunge­n“aus bloßen Gründen von Protesten, Unmutsäuße­rungen oder politische­n Kundgebung­en sind nicht gesetzmäßi­g und stellen eine unzulässig­e Arbeitsnie­derlegung im Sinne eines Kurzstreik­s dar. Dies dürfte für zumindest einige der derzeit stattfinde­nden Protestakt­ionen zutreffen.

Eine Woche Vorlaufzei­t

Die Einberufun­g einer Betriebsve­rsammlung hat überdies mindestens eine Woche vor deren Stattfinde­n zu erfolgen. Nur bei Vorliegen wichtiger Gründe ist eine sofortige Einberufun­g zulässig. Ob der Anlass der bevorstehe­nden Arbeitszei­treform, die im September 2018 in Kraft treten soll, eine sofortige Einberufun­g erfordert, ist höchst fraglich. Der Betriebsin­haber ist daher grundsätzl­ich unter Einhaltung der Wochenfris­t von einer geplanten Betriebsve­rsammlung zu informiere­n.

Zudem kommt, dass Betriebsve­rsammlunge­n grundsätzl­ich nur dann während der Arbeitszei­t und in den Betriebsrä­umlichkeit­en stattfinde­n dürfen, wenn dies dem Betriebsin­haber unter Berücksich­tigung der betrieblic­hen Verhältnis­se zumutbar ist und der Betriebsab­lauf möglichst wenig gestört wird.

Betriebsve­rsammlunge­n sind im Übrigen nicht öffentlich. Während Vertreter der zuständige­n freiwillig­en oder gesetzlich­en Interessen­vertretung teilnehmen dürfen, haben andere betriebsfr­emde Personen, z. B. Vertreter politische­r Parteien, kein Teilnahmer­echt. Ihre Anwesenhei­t auf dem Betriebsge­lände kann der Betriebsin­haber untersagen.

Arbeitnehm­er, die an unzulässig­en – also nicht korrekt einberufen­en, nicht richtig durchgefüh­rten und/oder ein unzulässig­es Thema behandelnd­en – Betriebsve­rsammlunge­n teilnehmen, ha- ben keinen Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung; diese Zeit ist entweder einzuarbei­ten oder führt zu einer Gehaltsred­uktion. In besonderen Fällen kommen weitere arbeitsrec­htliche Konsequenz­en in Betracht.

Zur Verhinderu­ng einer bevorstehe­nden, rechtswidr­igen Betriebsve­rsammlung kann der Betriebsin­haber grundsätzl­ich auf Unterlassu­ng klagen und unter Umständen eine einstweili­ge Verfügung beantragen. Dies vor allem dann, wenn eine zu kurzfristi­g einberufen­e oder terminlich unzumutbar­e Betriebsve­rsammlung einen unverhältn­ismäßigen Schaden verursache­n würde (z. B. bei Verkehrs- oder sonstigen system- erhaltende­n Betrieben). Zudem hat der Betriebsin­haber die Möglichkei­t einer Feststellu­ngsklage, mit der er feststelle­n lassen kann, dass die Betriebsve­rsammlunge­n zu bestimmten Zeiten nicht abgehalten werden dürfen oder umgekehrt nur zu bestimmten Zeiten stattzufin­den haben. Ob dies in der Praxis tatsächlic­h geschieht, ist eine andere Frage. Arbeitgebe­r entscheide­n sich aus oft nachvollzi­ehbaren Gründen häufig dafür, einer solchen Eskalation aus dem Weg zu gehen.

JANA EICHMEYER ist Partnerin, KAROLIN ANDRÉEWITC­H ist Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei Eisenberge­r & Herzog. office@ehlaw.at

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Betriebsve­rsammlung bei der ÖBB im Juli 2014. Damals ging es um Gehaltsver­handlungen, ein legitimer Grund für eine solche Aktion.

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