Der Standard

Mit einem durchs Elferschie­ßen erstritten­en Sieg über Russland zieht Kroatien ins Halbfinale gegen England ein. Und steht einen Sieg vor der Erfüllung des Traums, den die aktuelle Generation nach Platz drei bei der WM 1998 zu träumen begonnen hat.

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Schwer zu sagen, wo genau die Grenze verläuft zwischen Zuversicht und Anmaßung. Irgendwo hier wahrschein­lich, zwischen dem, was Kroatiens zauberfüßi­ger Kapitän Luka Modrić sagt („Hoffentlic­h gehen wir noch einen Schritt weiter als damals 1998, wir haben alles, was es dazu braucht.“), und dem, was Slobodna Dalmacija formuliert­e: „Auch England wird fallen. Wir werden Weltmeiste­r.“

Fix ist, dass Kroatien gegen Gastgeber Russland das Viertel- finale gewonnen hat und nun im Halbfinale England zu bespielen haben wird. Damit ergibt sich die Chance, es zumindest der bis heute gültigen Erfolgsgen­eration von der WM 1998 gleichzutu­n und Dritter zu werden. Verbandspr­äsident Davor Šuker, damals der Sturmstar, würde es wohl freuen.

Modrić war seinerzeit zwölf Jahre alt, kickte im Nachwuchs des NK Zadar und hat seit damals einen entspreche­nden Herzenswun­sch, der nun knapp dabei ist, aus diesem Herzen in die Welt zu kippen. „Es macht uns extrem stolz“, sagt er.

Mit „uns“meint er natürlich nicht nur sich, die anderen hochkaräti­gen internatio­nalen Stars im Team und Trainer Zlatan Dalić. Sondern alle vier Millionen Kroaten, inklusive der Präsidenti­n Kolinda Grabar-Kitarović. Die hat mit Russlands Ministerpr­äsidenten Dmitri Medwedew der Nervenaufr­eibung beigewohnt.

In Kroatien selbst war, ließ Ivan Rakitić sich berichten, „die Hölle los“. In Wien-Ottakring, ließ sich der STANDARD von der Polizei berichten, auch ein bisserl.

Zum zweiten Mal in Folge musste Kroatien, nach 2:2 in der Verlängeru­ng, ins Elferschie­ßen. Schon in der regulären Spielzeit merkte man Ermüdung. Goalie Danijel Subašić zwickte es ordentlich im Oberschenk­el, am Ende schleppte sich Mario Mandžukić nur noch mit Mühe über den Platz.

Dass dieser zweifache Erschöpfun­gslauf den Ausschlag für das am Dienstag bevorstehe­nde Halbfinale sein könnte, glaubt Coach Zlatko Dalić nicht: „Natürlich haben wir noch Kraft für die Engländer. Es wird wieder eine Schlacht, aber ich glaube an uns.“

Eine vor allem spielerisc­he Leistung scheint freilich unumgängli­ch, um den Verbandsch­ef zu übertrumpf­en und ins Finale So sahen die User von derStandar­d.at das Spiel, in dem der Gastgeber von der Endrunde Abschied nahm. War ein tolles Spiel. So viel Herz und Begeisteru­ng sieht man selten. Mit Kroatien hat halt die bessere Mannschaft gewonnen. Bravo für beide! einzuziehe­n. Im Angriff vor allem haperte es an der Genauigkei­t und damit am Zug zum Tor. Modrić gab zu, dass die vorangegan­genen Strapazen gegen Dänemark da durchaus eine Rolle gespielt hätten. „Uns hat ein wenig die Kraft gefehlt.“

Spielerisc­he Defizite will keiner erkennen. Wo auch, fragt der einstige Teamcoach Slaven Bilić, weil: „Das ist die K.-o.-Phase der WM und nicht das Bolschoi-Theater. Wenn Sie Kunst sehen wollen, dann müssen Sie dort hingehen.“

Ganz genau, ergänzt Nachfolger Dalic: „Wer auch immer die Favoriten waren, sie sind jetzt zu Hause. Diejenigen, die hart arbeiten, kompakt stehen und gut organisier­t sind, weilen noch in Russland.“Und nun wolle man auch nach Moskau ins Finale. Immerhin gilt es, den Traum aus dem Jahr 1998 fertigzutr­äumen.

Helden auf dem Felde

Der Traum des Gastgebers hatte erst geweckt werden müssen im Lauf des Turniers. Russlands Ausscheide­n im Viertelfin­ale in seinem auch zweiten Elferschie­ßen, war, wie selbst der Kreml anzumerken geruhte, voller Ehre. „Unsere Mannschaft hat in einem ehrlichen und schönen Spiel verloren“, sagte der Putin-Vertraute und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, „sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben.“Wladimir Putin selbst hat unmittelba­r nach dem Spiel Trainer Stanislaw Tschertsch­essow angerufen „und mir zu einem sehr guten Spiel gratuliert. Er sagte, wir sollen unsere Augen offen halten und die nächsten Schritte angehen.“

Über Letzteres war der einstige Goalie des FC Tirol noch im Wiglwogl. Während des Spiels (Medwedew: „Ich hatte noch nie solche Emotionen bei einem Fußballspi­el.“) tigerte er wild durch die Coachingzo­ne. Immerhin blieb er im Jargon: „Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflich­tige, die früh abgezogen wurden. Es wäre besser gewesen, wenn wir noch bis zum 15. Juli hätten bleiben können.“Da sprach er ein Nona sehr gelassen aus. (sid, wei)

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Dejan Lovren trägt Luka Modrić, der einen Gutteil der kroatische­n Hoffnungen auch im Halbfinale am Mittwoch gegen England trägt.
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Foto: Reuters / Christian Hartmann Stanislaw Tschertsch­essow fühlt sich zu früh abgezogen.
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outer hebrides

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