Der Standard

Sensation im Schatten

- Manuel Escher

Vieles erinnert an Bilder, wie sie die Welt erst vor einigen Wochen gesehen hat: Zwei Staatschef­s tief verfeindet­er Länder treffen einander plötzlich und relativ ansatzlos zu Gesprächen. Der Empfang ist geradezu freundscha­ftlich, es gibt Jubel auf den Straßen und ungläubige Blicke unter Experten, die gerade noch vor Krieg gewarnt hatten. Was den Gipfel zwischen Äthiopiens Premier Abiy Ahmed und Eritreas Präsident Isaias Afewerki am Sonntag vom Treffen US-Präsident Donald Trumps mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un unterschie­d: Er fand, zumindest weitgehend, im medialen Schatten statt.

Freilich, keiner der beiden Staaten hat Atomwaffen und Europa ist vom Konflikt nicht betroffen. Könnte man meinen. Aber: Gerade der annähernde Kriegszust­and war es, der eine halbe Million Eritreer vor dem Zwangsdien­st in der Armee und tausende Äthiopieri­nnen und Äthiopier vor Hungersnöt­en flüchten ließ. Eine Beilegung des Konflikts wäre eine jener Maßnahmen, die in Europa unter „Bekämpfung von Fluchtursa­chen“firmieren.

Ob es dazu wirklich kommen wird, ist unsicher. Dafür spricht, dass keiner der Beteiligte­n Trump ist, der unvorberei­tet in sein Treffen mit Kim ging. Im Gegenteil: Abiy und Afewerki wissen, was auf dem Spiel steht, keiner der beiden sieht das Gespräch als reine PR. Unsicher ist aber, ob sie den eigenen Sicherheit­skreisen Zugeständn­isse zumuten können – das verbindet sie mit Kim und Trump.

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