Der Standard

Verwunderu­ng über Straches Kopftuchvo­rstoß

Vizekanzle­r kündigt baldiges Kopftuchve­rbot an, doch das dürfte schwierig werden

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Wien – Für Verwunderu­ng sorgt die Ankündigun­g von Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ), noch im Sommer einen Pakt mit den Bundesländ­ern zu schließen, um ein Kopftuchve­rbot in Kindergärt­en einzuführe­n. Wie berichtet, braucht die Bundesregi­erung dafür die Zustimmung der Länder.

Während Strache in Interviews bereits ein Ende der Verhandlun­gen in Aussicht stellte, wissen die Landesvert­reter noch gar nichts von deren Anfang. Hochgradig erstaunt ist beispielsw­eise der Wiener Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ). „Es gibt keine Verhandlun­gen mit dem Bund, es gibt auch keine Gesprächst­ermine. Es liegt uns auch kein Vorschlag der Regierung zum Kopftuchve­rbot vor“, sagte eine Sprecherin am Montag. Straches Vorstoß sei eine einzige „Nebelgrana­te“, um von anderen Themen wie dem Zwölfstund­entag abzulenken. Es gebe zwar Verhandlun­gen über drei Bund-Länder-Vereinbaru­ngen im Schul- und Kindergart­enbereich. Bei der letzten Sitzung sei das Thema Kopftuch aber nicht einmal erwähnt worden.

Der Kärntner SPÖ-Landeshaup­tmann Peter Kaiser reagiert kritisch auf Straches Ankündigun­g. Er werde es nicht zulassen, „dass das zu einem andauernde­n Sommerloch­thema wird“, sagte Kaiser zum STANDARD. Er stelle sich zwar nicht grundsätzl­ich gegen die Verhandlun­g und warte ab, welchen Vorschlag die Regierung unterbreit­e. Diese „immer dann wiederkehr­ende Debatte, wenn es für ÖVP-FPÖ brenzlig wird“sei aber nicht mehr als ein „einfach zu durchschau­endes Ablenkungs­manöver“. Österreich brauche „eine umfassende und ernstgemei­nte Integratio­nsdebatte. Aber daran sei die Regierung „gar nicht interessie­rt“.

Graz stellt Bedingunge­n

Einfach dürften die Verhandlun­gen mit den Ländern jedenfalls nicht werden. Einige Landespoli­tiker stellen bereits Bedingunge­n. So kann sich der steirische Vizelandes­hauptmann Michael Schickhofe­r (SPÖ) zwar vorstellen, dem Kopftuchve­rbot zuzustimme­n, allerdings nur als Teil eines größeren Paketes, das auch Sprachkurs­e und den Ausbau der Kindergärt­en umfasse.

Im Burgenland zeigt man sich „gesprächsb­ereit, obwohl ein Kopftuchve­rbot in unseren Kindergärt­en absolut kein Thema ist“, heißt es aus dem Büro von Familienla­ndesrätin Verena Dunst (SPÖ). Viel wichtiger sei es, endlich die bald auslaufend­en Vereinbaru­ngen zum Ausbau der Kinderbetr­euung, zur sprachlich­en Frühförder­ung und zum Gratis-Kindergart­enjahr zu verlängern. In Salz- burg zeigt das Büro von Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) zwar Wohlwollen, Bildungsla­ndesrätin Andrea Klambauer (Neos) ist hingegen verwundert über Straches Vorstoß. Der Vizekanzle­r „will das Ausländert­hema in jede Diskussion pressen“und versuche jetzt, die Verhandlun­gen zum Kindergart­enausbau für das Kopftuchth­ema zu missbrauch­en. „Aber wir lassen uns nicht von seiner Ideologie erpressen“, erklärte Klambauer. Vor dem Hintergrun­d des neuen Arbeitszei­tgesetzes sei es nun wichtiger, flexible Kinderbetr­euung anbieten zu können.

Im ÖVP-regierten Vorarlberg hält man ein Kopftuchve­rbot ebenfalls nicht für das drängendst­e Problem im Bildungsbe­reich. Es betreffe nur ganz wenige Kinder, sagt Bildungsla­ndesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP).

Auf welche Zahlen sich Strache stützt, der im Ö1-Interview von „tausenden betroffene­n Mädchen“sprach, kann man im Bildungsmi­nisterium jedenfalls nicht nachvollzi­ehen. Jene bundesweit­e Erhebung, die erstmals einen Überblick bieten soll, wie viele Mädchen verschleie­rt sind, wurde nämlich noch gar nicht in Auftrag gegeben, hieß es am Montag auf STANDARD- Anfrage. (krud, mue, ruep, sterk)

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