Der Standard

Ein echtes Derby im halben Finale

Dienstag, 20 Uhr: Großer Nachbar gegen den kleinen – das birgt immer Brisanz. Dieses Duell in Sankt Petersburg aber noch um einiges mehr. Denn diesmal spielen mit Frankreich und Belgien zwei Titelfavor­iten ums Finale.

-

Der erste Finalist der WM 2018 wird am Dienstag in Sankt Petersburg ermittelt. Frankreich (mit seiner jungen, wilden Generation) und der kleine, oft bespöttelt­e Nachbar Belgien (mit seiner seit Jahren goldenen Generation) bespielen sich. Zum 75. Mal übrigens. Nur diesmal mit mehr Brisanz als sonst eh schon, denn nicht wenige meinen, es wäre das eigentlich­e Finale.

Unbestritt­en wird dieses erste Halbfinale eine sehenswert­e Angelegenh­eit. Sowohl Frankreich als auch Belgien strotzen vor Offensivkr­aft. Das müsste aber auch heißen, dass sie diese eben auch zum Einsatz zu bringen haben. Und weil auch das breite Scheiberln ihre Sache nicht ist, darf man sich auf einen veritablen, weil vertikalen Schlagabta­usch freuen.

Zumal beide bis oben hin voll sind mit Zuversicht­en. „Wir müssen jetzt den Traum bis zum Ende träumen“, forderte etwa Frank- reichs junger Bayer Corentin Tolisso von sich und seinen Freunden.

Belgiens goldene Generation hat den größten Erfolg des Fußballlan­des schon erreicht. 1986 in Mexiko verlor man erst das Spiel um Platz drei. 2:4 in der Verlängeru­ng. Gegen Frankreich!

Im belgischen Tor stand damals Jean-Marie Pfaff. Und der einstige Weltklasse-Keeper sagt jetzt: „Belgien kann den WM-Titel schaffen. Zumindest ins Finale kommen. Der Halbfinalg­egner habe nämlich ein schwerwieg­endes Zusatzprob­lem, und das „sitzt auf der belgischen Bank“.

Thierry Henry, mit dem französisc­hen Coach Didier Deschamps 1998 Welt- und 2000 Europameis­ter, kümmert sich im belgischen Trainertea­m speziell um die Offensive. Aber Pfaff meint, damit sei die Rolle des Franzosen nur unzulängli­ch beschriebe­n. Henry, mit 51 Treffern französisc­her Rekordtors­chütze, sei überhaupt ein Vertrauter von Trainer Roberto Martinez, „er hört ihm zu“und manchmal wohl auch auf ihn, denn „bestimmt geht auch die ein oder andere taktische Umstellung auf eine Idee Henrys zurück“.

Defensive Geheimniss­e

Etwa die Umstellung auf die Viererkett­e und die sehr offensiver­e Positionie­rung von Kevin de Bruyne gegen Brasilien. Diesen, den Zangler Eden Hazard und den Bullenstür­mer Romeu Lukaku wird er nun wohl auch besonders eingeweiht haben in die allfälli- gen Geheimniss­e französisc­her Defensivar­beit, die ja auch nicht unüberwind­lich scheint.

Frankreich­s Außenverte­idiger Lucas Hernandez erinnert aber auch nicht zu Unrecht ans Achtelfina­le, das 4:3 über Argentinie­n und den kaum vorgekomme­nen Lionel Messi: „Wir haben bereits den besten Spieler der Welt eliminiert, er hat den Ball kaum berührt.“

Etwas, was sich allerdings auch über Belgiens Abwehr rund um Vincent Kompany sagen lässt. Oder erinnert sich wer an ein besonderes Viertelfin­al-Highlight von Neymar?

Die vielleicht einzige Schwäche Frankreich­s ist das zeitweilig­e Ins-Kraut-Schießen jugendlich­en Überschwan­gs. Die gelbe Karte des Kylian Mbappé gegen Uruguay wegen einer saudeppert­en Schwalbe ist da ein schönes Beispiel dafür. Dem Trainer ist das – nona – nicht verborgen geblieben. „Manchmal sieht man noch den Mangel an Erfahrung.“Aber was für Deschamps bei weitem mehr wiegt: „Wir haben auch so viele Qualitäten.“

Da mögen ihm wohl auch Roberto Martinez und sein Thierry Henry nicht widersprec­hen. Die Qualitäten klingen mittlerwei­le wie ein Gedicht: Paul Pogba, N’Golo Kanté, Blaise Matuidi und dann Kylian Mbappé, Olivier Giroud, Antoine Griezmann.

„Na und?“, erwidert man in Belgien mit eigener Poesie. De Bruyne ist kämpferisc­h: „Wir wollen ins Finale, in das Spiel, auf das die ganze Welt schaut. Nur darum geht es.“Defensivko­llege Nacer Chadli aufmuntern­d: „Wenn du Brasilien besiegst, musst du niemanden fürchten. Wir sind bereit.“(sid, wei)

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria