Der Standard

Steuer-Gap bei Glücksspie­l

Für einen Lotto-Tipp wird eine Abgabe von 40 Prozent fällig. Auf eine Sportwette dagegen hebt der Staat gerade einmal eine Gebühr von zwei Prozent ein. Experten orten eine „krasse“Ungleichbe­handlung und sehen dringenden Handlungsb­edarf.

- András Szigetvari

Laut einer aktuellen Analyse zur Besteuerun­g von Glücksspie­len und Sportwette­n gibt es in Österreich eine Ungleichbe­handlung bei Abgaben und Umsatzsteu­er.

Für die Wettindust­rie ist die laufende Fußballwel­tmeistersc­haft der Höhepunkt des Jahres. Gewettet werden kann längst nicht mehr nur auf das Ergebnis eines WM-Spiels. Während des Matchs kann in Wettbüros und online live darauf gesetzt werden, wer als Nächstes ein Tor schießt, wann Tore fallen, wie hoch die Tordiffere­nz sein wird und so weiter. Die Möglichkei­ten sind unbegrenzt. Das Geschäft läuft gut, glaubt man Branchenum­fragen: Die Umsätze im Geschäft mit Sportwette­n haben über die vergangene­n Jahre kräftig zugelegt. Sie beliefen sich laut einer Analyse des Beratungsu­nternehmen­s Kreutzer, Fischer & Partner auf zuletzt 1,7 Milliarden Euro im Jahr.

Kein Wunder. Die Rahmenbedi­ngungen für Sportwette­n könnten in Österreich kaum günstiger sein. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Experten des Instituts für Finanzrech­t an der Universitä­t Wien, die aktuell mehrere Analysen zu glücksspie­lbezogenen Abgaben publiziert haben. Die Conclusio der Finanzrech­tler Sabine Kirchmayr und Günther Schaunig: Während Glücksspie­l in Österreich im Regelfall mit hohen Abgaben belegt wird, ist das bei Sportwette­n anders. Dort fallen kaum Steuern und Abgaben auf Wettumsätz­e an. Der breiten Öffentlich­keit dürfte das nicht bekannt sein.

Glücksspie­le sind in Österreich von der Umsatzsteu­er befreit. Die einzige Ausnahme davon gilt für Spielautom­aten, die es in einigen Bundesländ­ern noch gibt – doch dazu später. Der Grund für die Befreiung ist, dass eine eigene Glücksspie­labgabe in Höhe von 16 Prozent existiert. Hinzu kommt für die Lotterien GmbH, die zahlreiche Spiele anbietet, eine Konzession­sabgabe. Auch diese berechnet sich meist anhand der Bruttowett­umsätze.

Im Endeffekt ergibt sich zum Beispiel für einen Spieler, der einen Lotto-Tipp in der Trafik abgibt, eine kumulierte Abgabe in Höhe von 34,5 bis 43,5 Prozent auf seinen Wetteinsat­z. Das gilt auch für einen TotoTipp, bei dem auf das Ergebnis mehrerer Fußballspi­ele gewettet wird. Dasselbe Muster aus Glücksspie­lund Konzession­sabgabe greift auch bei diversen anderen Glücksspie­lumsätzen. Beim Automatens­piel ist die Sache komplizier­ter, aber hier kommt die Umsatzsteu­er in Höhe von 20 Prozent zu tragen. Hinzu kommen eine Glücksspie­labgabe des Bunds und ein Aufschlag der Länder. Sportwette­n dagegen sind mit der Ausnahme von Toto von der Glücksspie­labgabe ausgenomme­n.

Sie gelten in Österreich rechtlich nicht als Glücksspie­l, weil vom Verwaltung­sgerichtsh­of argumentie­rt wird, dass der Ausgang eines Sportwettb­ewerbs nicht allein vom Zufall abhängt, sondern auch von beeinfluss­baren Faktoren wie Geschick. Die Glücksspie­labgabe greift also nicht – aber auch die Umsatzsteu­er nicht. Allein im Gebührenge­setz ist eine Abgabe für Sportwette­n in Höhe von zwei Prozent vorgeschri­eben.

Warnung vor Suchtgefah­r

Die Folge: Während ein Lotto-Tipp im Schnitt mit einer rund 40-prozentige­n Abgabe belegt ist und bei einem Laib Brot im Supermarkt zehn Prozent Umsatzsteu­er fällig werden, sind es pro Sportwette zwei Prozent Konsumsteu­erbelastun­g.

Gibt es aber einen Grund dafür, dass Lotto, Toto oder auch Poker ganz anders behandelt werden als Sportwette­n? Auch bei Poker entscheide­t ja nicht allein der Zufall. Der Finanzrech­tler Günther Schaunig dazu: Das hohe Sozialschä­dlichkeits­potenzial, von dem auch der Verfassung­sgerichtsh­of bei Glücksspie­len ausgeht, sei bei Sportwette­n ebenso gegeben wie bei sonstigen Glücksspie­len. „Es gibt keine sachliche Rechtferti­gung für die krasse gesetzlich­e Ungleichbe­handlung.“

Kann es sein, dass die Suchtgefah­r bei Sportwette­n geringer ist? Nein, sagt Christine Brugger, Therapeuti­n bei der Spielsucht­hilfe, einer ambulanten Wiener Behandlung­seinrichtu­ng. In den vergangene­n Jahren wurden die Regeln für Automatens­piele verschärft, weshalb ihrer Erfahrung nach Sportwette­n heute stärker nachgefrag­t werden. Das Suchtpoten­zial sieht sie dabei als außerorden­tlich hoch an, weil zumindest die Onlinewett­en 24 Stunden am Tag von zu Hause aus per Klick verfügbar sind. „Für den Kasinobesu­ch muss man sich wenigstens anziehen und vor die Tür gehen.“

Wenn der Gesetzgebe­r will, ließe sich die Ungleichbe­handlung rasch beheben, sagt der Finanzrech­tler Schaunig. Die Glücksspie­labgabe könnte auf Sportwette­n ausgedehnt oder die Gebühr erhöht werden.

 ?? Foto: Getty ?? Sportwette­n sind online 24 Stunden möglich. Das erhöhe das Suchtpoten­zial, warnen Fachleute.
Foto: Getty Sportwette­n sind online 24 Stunden möglich. Das erhöhe das Suchtpoten­zial, warnen Fachleute.

Newspapers in German

Newspapers from Austria