Steuer-Gap bei Glücksspiel
Für einen Lotto-Tipp wird eine Abgabe von 40 Prozent fällig. Auf eine Sportwette dagegen hebt der Staat gerade einmal eine Gebühr von zwei Prozent ein. Experten orten eine „krasse“Ungleichbehandlung und sehen dringenden Handlungsbedarf.
Laut einer aktuellen Analyse zur Besteuerung von Glücksspielen und Sportwetten gibt es in Österreich eine Ungleichbehandlung bei Abgaben und Umsatzsteuer.
Für die Wettindustrie ist die laufende Fußballweltmeisterschaft der Höhepunkt des Jahres. Gewettet werden kann längst nicht mehr nur auf das Ergebnis eines WM-Spiels. Während des Matchs kann in Wettbüros und online live darauf gesetzt werden, wer als Nächstes ein Tor schießt, wann Tore fallen, wie hoch die Tordifferenz sein wird und so weiter. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Das Geschäft läuft gut, glaubt man Branchenumfragen: Die Umsätze im Geschäft mit Sportwetten haben über die vergangenen Jahre kräftig zugelegt. Sie beliefen sich laut einer Analyse des Beratungsunternehmens Kreutzer, Fischer & Partner auf zuletzt 1,7 Milliarden Euro im Jahr.
Kein Wunder. Die Rahmenbedingungen für Sportwetten könnten in Österreich kaum günstiger sein. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Experten des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien, die aktuell mehrere Analysen zu glücksspielbezogenen Abgaben publiziert haben. Die Conclusio der Finanzrechtler Sabine Kirchmayr und Günther Schaunig: Während Glücksspiel in Österreich im Regelfall mit hohen Abgaben belegt wird, ist das bei Sportwetten anders. Dort fallen kaum Steuern und Abgaben auf Wettumsätze an. Der breiten Öffentlichkeit dürfte das nicht bekannt sein.
Glücksspiele sind in Österreich von der Umsatzsteuer befreit. Die einzige Ausnahme davon gilt für Spielautomaten, die es in einigen Bundesländern noch gibt – doch dazu später. Der Grund für die Befreiung ist, dass eine eigene Glücksspielabgabe in Höhe von 16 Prozent existiert. Hinzu kommt für die Lotterien GmbH, die zahlreiche Spiele anbietet, eine Konzessionsabgabe. Auch diese berechnet sich meist anhand der Bruttowettumsätze.
Im Endeffekt ergibt sich zum Beispiel für einen Spieler, der einen Lotto-Tipp in der Trafik abgibt, eine kumulierte Abgabe in Höhe von 34,5 bis 43,5 Prozent auf seinen Wetteinsatz. Das gilt auch für einen TotoTipp, bei dem auf das Ergebnis mehrerer Fußballspiele gewettet wird. Dasselbe Muster aus Glücksspielund Konzessionsabgabe greift auch bei diversen anderen Glücksspielumsätzen. Beim Automatenspiel ist die Sache komplizierter, aber hier kommt die Umsatzsteuer in Höhe von 20 Prozent zu tragen. Hinzu kommen eine Glücksspielabgabe des Bunds und ein Aufschlag der Länder. Sportwetten dagegen sind mit der Ausnahme von Toto von der Glücksspielabgabe ausgenommen.
Sie gelten in Österreich rechtlich nicht als Glücksspiel, weil vom Verwaltungsgerichtshof argumentiert wird, dass der Ausgang eines Sportwettbewerbs nicht allein vom Zufall abhängt, sondern auch von beeinflussbaren Faktoren wie Geschick. Die Glücksspielabgabe greift also nicht – aber auch die Umsatzsteuer nicht. Allein im Gebührengesetz ist eine Abgabe für Sportwetten in Höhe von zwei Prozent vorgeschrieben.
Warnung vor Suchtgefahr
Die Folge: Während ein Lotto-Tipp im Schnitt mit einer rund 40-prozentigen Abgabe belegt ist und bei einem Laib Brot im Supermarkt zehn Prozent Umsatzsteuer fällig werden, sind es pro Sportwette zwei Prozent Konsumsteuerbelastung.
Gibt es aber einen Grund dafür, dass Lotto, Toto oder auch Poker ganz anders behandelt werden als Sportwetten? Auch bei Poker entscheidet ja nicht allein der Zufall. Der Finanzrechtler Günther Schaunig dazu: Das hohe Sozialschädlichkeitspotenzial, von dem auch der Verfassungsgerichtshof bei Glücksspielen ausgeht, sei bei Sportwetten ebenso gegeben wie bei sonstigen Glücksspielen. „Es gibt keine sachliche Rechtfertigung für die krasse gesetzliche Ungleichbehandlung.“
Kann es sein, dass die Suchtgefahr bei Sportwetten geringer ist? Nein, sagt Christine Brugger, Therapeutin bei der Spielsuchthilfe, einer ambulanten Wiener Behandlungseinrichtung. In den vergangenen Jahren wurden die Regeln für Automatenspiele verschärft, weshalb ihrer Erfahrung nach Sportwetten heute stärker nachgefragt werden. Das Suchtpotenzial sieht sie dabei als außerordentlich hoch an, weil zumindest die Onlinewetten 24 Stunden am Tag von zu Hause aus per Klick verfügbar sind. „Für den Kasinobesuch muss man sich wenigstens anziehen und vor die Tür gehen.“
Wenn der Gesetzgeber will, ließe sich die Ungleichbehandlung rasch beheben, sagt der Finanzrechtler Schaunig. Die Glücksspielabgabe könnte auf Sportwetten ausgedehnt oder die Gebühr erhöht werden.