Der Standard

Das zerstritte­ne Europa tagt in der Festung Innsbruck

Begleitet von einem gewaltigen Polizeiauf­gebot und umfangreic­hen Sperrzonen treffen sich Innen- und Justizmini­ster in Tirol

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Innsbruck – Das Aufgebot an Sicherheit­skräften sorgt bei manchen für Unbehagen. Mehr als 1000 Polizisten und noch einmal so viele Bundesheer­angehörige machen Innsbruck während des Treffens der EU-Innen- und Justizmini­ster zur Festung. Und doch hat das vermeintli­ch dichte Überwachun­gsnetz Lücken, wie sich beim Wettlauf der Journalist­en von Termin zu Termin zeigte. Mittels klassische­n Klingelstr­eichs tat sich plötzlich ein Schleichwe­g durch ein Wohnhaus vom Domplatz mitten in die Sperrzone beim Congress auf.

Kickls Leistungss­chau

Gastgeber Herbert Kickl (FPÖ) nutzte den hohen Besuch, um zu zeigen, was die heimische Exekutive alles kann. Als die 27 Minister Donnerstag zur Tagung vorfuhren, wurden sie von spalierste­henden Polizistin­nen sowie bis an die Zähne bewaffnete­n und vermummten Spezialkrä­ften empfangen. Jeder Eintreffen­de wurde auf dem Weg über den roten Tep- pich zudem von einer Art zu lang geratener Fanfare begleitet – sehr zum Ärger der auf Wortspende­n wartenden Medienvert­reter. Denn die meisten Statements der Politiker gingen im schmettern­den Klang der Blechbläse­r unter.

Selbst im Medienzent­rum war die Polizei omnipräsen­t. Auf großen Bildschirm­en liefen Imagefilme von alles überwinden­den Panzerfahr­zeugen und Antiterror­übungen. Böse Zungen meinten, darin einen subtilen Einschücht­erungsvers­uch des österreich­ischen Innenminis­ters zu erkennen, der ja erst kürzlich kundtat, was er von allzu kritischer Berichters­tattung hält.

Die Innsbrucke­r Bevölkerun­g konnte dem ganzen Brimborium wenig abgewinnen. „Was uns das wieder kostet!“war einer der meistgehör­ten Sätze dieser Tage. Als Donnerstag­mittag kurzerhand auch noch die Altstadt rund um das Goldene Dachl für mehrere Stunden zur Sperrzone erklärt worden war, ließen manche Wirte ihrem Ärger freien Lauf. Vor dem Traditions­gasthaus Goldener Adler diskutiert­e der Hausherr mit einem Polizisten, weil ihn die Sperrzone das Mittagsges­chäft koste – und nächtigen würden die Herrschaft­en auch nicht bei ihm.

In der Piano Bar gegenüber zeigte sich die Kellnerin wenig erfreut: „Wir haben gerade erst erfahren, dass wir heute keinen Gastgarten aufbauen dürfen wegen den Mi- nistern.“Grund für die plötzliche Sperre war ein geplanter Fototermin. Dafür sollten die Minister zum offizielle­n Gruppenbil­d vors Goldene Dachl wandern.

Während die Altstadt ungewohnt leer war, flanierten die für Innsbruck typischen Touristenm­assen derweil südlich in der Maria-Theresien-Straße. Aber auch dort waren zwischen den Gastgärten bereits Absperrgit­ter der Polizei geparkt. Denn die größte von insgesamt drei angemeldet­en Gegendemon­strationen zum Ministertr­effen sollte hier am frühen Donnerstag­abend starten. Ob es zu den von manchen Medien im Vorfeld befürchtet­en Ausschreit­ungen kommen würde, schien bis zuletzt unwahrsche­inlich.

Denn der öffentlich formuliert­e Protest gegen das Innenminis­tertreffen war verhalten und bisher kaum wahrnehmba­r. Am Mittwoch fand sich nur eine sehr kleine Gruppe von rund 50 Personen im Waltherpar­k zum Infocamp ein. Die Szenerie glich eher einem Picknick als einer Demonstrat­ion. Selbst die zur Überwachun­g abgestellt­en Polizisten nutzten die entspannte Atmosphäre für erholsame Spaziergän­ge durch den Park.

Die große Frage blieb, ob es die italienisc­hen Demonstran­ten über den mittels Grenzkontr­ollen abgeriegel­ten Brenner nach Innsbruck schaffen würden. Aufrufe zur Teilnahme an den Protesten kursierten auf einschlägi­gen italienisc­hen Webseiten. Und spätestens seit den teilweise gewalttäti­gen Ausschreit­ungen am Brenner im Jahr 2016, als es ebenfalls um das europäisch­e Grenzregim­e ging, ist man in Tirol alarmiert, sobald sich Demonstran­ten aus der Autonomens­zene Italiens ankündigen.

Am Freitag werden noch die europäisch­en Justizmini­ster in Innsbruck tagen. Das Sicherheit­saufgebot wird bleiben, allerdings wird die Medienaufm­erksamkeit merklich geringer sein und auch die letzte der angemeldet­en Gegendemos, die als Musikfesti­val im Rapoldipar­k angekündig­t wurde, dürfte für keine größeren Störungen mehr sorgen. (ars)

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Foto: APA / Barbara Gindl Der französisc­he Innenminis­ter schreitet das Spalier ab.

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