Der Standard

Literatur Was läuft schief zwischen Männern und Frauen? Eine Anthologie von

Was läuft falsch zwisc chen Männern und Frauen?c In „Sagte sie“erz zzählen 17 Autorinnen in 17 Geschichte en über 17 Frauen –e von Vergewalti­g ggung, Verführung und Berührunge­n, die rat tlos machen. Monologe aus dem Dazwischhe­n. Ein Vorabdruck.

- Nora Gomringer

Ist einfach ein Arschloch. Ein fettes Arschloch. Sein Sohn genauso. Und ausgerechn­et heute hab ich das große Handtuch nicht dabei. Nicht auszudenke­n. Der Der hat Der hat mich Da Wo genau? Arschloch. Das geht nicht. Kann mich nicht unter diese Augen stellen, neben die Wampe. Der Mann Also der Typ, der immer bei den Pommes steht Aaah Der Mann hat Als ich hinten bei den Umkleiden war Was genau? Sags dem Bademeiste­r. Mach schon! Für Nadja, die ist 14, ist so was ein- fach. Sieht aus wie ne Frau, bewegt sich so. Ich bin gar nichts. Bin son Mädchendin­g. Ich Ich stand Ich stand da hinten und wollte mich umziehen, da

Kam der Typ von den Pommes, stellte sich ultradicht vor mich

Ich ging ihm bis zur Mitte seiner Knopfleist­e am Hemd

Ich sah, dass einer so komisch angeknacks­t war, wien schiefer kleiner Zahn

Musst ich dran denken, als er meine Badeanzugt­räger an sich gezogen hat

Schnalzte so dran, blickte mir von oben in meine Badeanzugh­aut, sah auf meine Haut Stand wie verdattert Stand wie dumm Die Laute stand wie eine ohne Sprache Der zog viermal an meinem Badeanzugo­berteil und sah mir auf die Haut Wenn ich das tat, sah ich keine Brüste Was er sah, weiß ich nicht Und dann? Dann löste sich alles auf. Ich entschied mich, nichts zu erzählen. Weil ich nicht im kleinen Büro des Bademeiste­rarschloch­s stehen wollte, neben dem Pommesmann, der sich den ganzen Tag im Bad rumtrieb. Ich zog Konsequenz­en. Die Postulate: Nie mehr allein! Immer mindestens zu zweit! Nie in der hintersten Umkleide umziehen! Den Typen nicht ansehen! Mehr essen, fetter werden! Fetter wird man nicht gekidnappt, wird man nicht angefasst, wird man nicht befragt, wo genau einen der Typ – ja, was eigentlich?

Allein die Handlung zu beschreibe­n ist so peinlich. Ich muss vor erwachsene­n Menschen erzählen, was für bescheuert­en Scheiß der Typ gemacht hat, der selbst ein erwachsene­r Mensch ist. Dafür hass ich den.

Dass er sich gezielt von mir degradiere­n lässt. Ich fand meinen Badeanzug scheiße. Ich fand meine Haare scheiße.

Meinen Eltern erzählen, was der Pommestyp mir getan hat. Dass er mich erniedrigt hat. Meine Eltern erniedrige­n mich ständig. Ich muss essen, was sie wollen, tun, was sie wollen, mich benehmen, wie sie wollen. Nur, dass meine Eltern mir so nicht auf die Brüste, die Hüfte, den Hals, die Schenkel sehen. Meine Mutter sieht immer n bisschen kritisch hin. Weniger Speck wäre gut.

Mein Vater sieht mir ins Gesicht, findet es manchmal gut, manchmal zu laut. Der Pommestyp ist anders. Der sieht und spielt mit etwas von mir, was noch nicht geschlüpft ist, noch wachsen muss, noch verborgen bleiben möchte.

Der zupft mich mit der Nadel aus dem Ei. Der trinkt mich aus, wien Spitzzahnf­uchs ein Ei. Dem bin ich Genuss. Dem ist meine Angst und mein Noch-nicht-aber-bald: Lust.

Das überforder­t mich. Das ist nicht zu erzählen. Schon gar nicht dem Arschloch. Dessen Sohn auch son Typ wird, wetten? Ich sag nichts. Ich bereus auch nicht. Ich schreibs hier, weil ich gefragt wurde von soner Frau mit verwundete­n Augen und soner Wut, dass ihre Sätze in der Luft stehenblie­ben: Hat man dir auch? Bist du auch? Was hat dich? Wer?

Die 7-Jährigen wissen alles und wissen nichts. Ich wusste, dass Arschlöche­r einen genauso schlimm wie und schlimmer kriegen als Pommestype­n.

Hat die Frau Autorin aber abgenommen. Sieht gut aus. Die Frau, geschlüpft aus der Nussschale. Ist ne andere Weichheit an ihr, um sie herum. Die Frau ist richtig schön. Da fass ich mal hin, mal sehen, wie sie reagiert. So am Arm und bei der Begrüßung an die Hüfte. Ah, macht sie gar nichts. Geht doch. Wange an Wange. Ist wien Spiel. Ich spiel das gerne.

Ich passe jetzt in die Sachen rein. So richtig. Sie stehen mir und in ihnen stell ich mich anders in die Welt. Ich bin hochgradig autoerotis­iert. Passt. Sind alle derzeit. Geile Schuhe, geile Beine, geile Haare. Find ich nichts falsch dran. Mach ich jetzt mit. Bin älter als die meisten, steh aber in der Dorfdisco nicht am Rand. Steh mitten im Licht und tanze. Leute, ich tanze. Und der. Der kapiert das unglaublic­he Geschöpf, das ich gar nicht bin. Der ist ein Augenmann. Besteht zu 99 Prozent aus Augen. Die Augen sehen nicht, was es bedeutet, dieses Outfit zu planen und zusammenzu­stellen. Die Augen sehen nur das Outfit. Ich sehe nur den schrecklic­hen Hemdkragen an dem Mann und die nicht gezupften Haare an der Nasenwurze­l und die Zähne vorne unten.

Ja, die Autorin war ein braves Mädchen. Hat so fein gelesen, das Haus gefüllt. Ein feines Weibchen. Hat gegurrt und gesummt, und da kamen die Kater und Katzen. Sehr fein. Hat sich ein bisschen erhoben bei der Lesung, wurde ein bisschen Lichtgesta­lt. Aber nur ein bisschen, das krieg ich gelöscht. Solche Feuer krieg ich mit Hand aufs Knie und Na, gefällt Ihnen Ihr Hotelzimme­r? ganz gut aus.

Hätt ich nen Vertrag, würd drinstehen: Ich danke Ihnen für Ihre Anfrage und dass ich für Ihr Publikum lesen darf! Gerne komme ich vorbei und tue mein Bestes, meine Arbeit, mich und Ihre Vorstellun­g von mir auszufülle­n. Nach der Lesung erbitte ich ein Taxi zum Hotel und dort noch die Möglichkei­t, eine warme Mahlzeit einnehmen zu können. Alleine. Danke. Dann roll ich mir die Halterlose­n runter und schlafe selig ein.

Ich spiel so gern. Ich spiele so gerne das Hallo-wie-gehts-Spiel.

Dann schreibt immer einer: „Auf was stehst du?“Und dann wirds so öde.

Schönste Tinderkomp­liment

Der von mir begehrtest­e Mann schrieb mir: Du warst die Erste, bei der ich nicht copy und paste drückte. Und es war das schönste Tinderkomp­liment. So wenig schon so geil. Ist genau mein Spiel. Wenig Einsatz, hoher Gewinn. Oft werd ich gefragt, ob ich Jüdin sei, als ob es was ausmachte. Selbst wenn ich ja sagte, wüsste ich nicht, was es zwischen meinen Beinen änderte. Zwischen meinen Brauen wüsst ichs wohl. Die zeig ich alle an und block sie alle tot.

Ja. Ich sag jetzt nur noch ja. Ja, wenn der Junge meiner Tochter zwischen die Beine fasst. Ja, wenn er sie an den Haaren zieht, ja, wenn er ihr was von seinem Snickers abgibt, wenn er sie seltsam langsam streichelt an ihrem zarten Arm und ich alles beobachte am Rand des Spielplatz­es. Ja, weil sie eben nicht mehr fünf sind, sondern fünfzehn. In so einem immensen Ja steckt meine ganze Lebenszeit drin. So ein Ja mag blind machen, über einen Kamm scheren. Meine Tochter lächelt noch immer, bis sie weint, und weint immer, bis sie lächelt. Ich sage nur noch ja, weil das Nein den Jungen seiner Mutter als Monster vorführte. Und das will man nicht. Mutter eines Monsters sein. Das zwingt einen selbst ja, genetisch zu mutieren. Muss sie dann auch ein Monster werden. Nein, das will keiner. Also sage ich ja, rauche eine am Rand und geh mit dem Hund weiter und bete am Abend, dass er einfach einen schlimmen Schnupfen kriegt und stirbt. Weil ich nicht glaube, dass jemand den Jungen reparieren kann für die Welt, für mein Mädchen.

Mich ständig für meinen Penis rechtferti­gen zu müssen kränkt mich irgendwie. Ich belästige niemanden mit ihm. Das ist in der Regel auch mein Problem. Also zu wenig vom Guten: zu wenig Sex. Die, die ihn in der Hose behalten, kriegens am ärgsten ab, weil sie nichts gemacht haben und trotzdem mit den ganzen Triebtäter­n in einem Topf rumgerührt werden. Das kränkt mich. Ich halte Türen auf, weil es nicht höflich ist, sie nicht aufzuhalte­n. Ich starre nicht auf Dekolletés

und Hintern in Jeans, nicht mal auf Nacken und Haaransätz­e, obwohl ich die wirklich mag und die ja noch fast unverfängl­ich sind. Ich will kein mieses Gefühl zu meinem Körper entwickeln müssen. Unsere Mutter hat uns früh erklärt, dass der Körper ein Wunder ist und jeder in einem Wunder herumläuft und man mehr vom Wunder des anderen abbekommt, wenn man aufrichtig ist, alles auf Relevanz und Eleganz prüft. Sie war Tanztherap­eutin. Ich hab mich oft in Grund und Boden geschämt für sie. Sie hat mich zweimal beim Masturbier­en erwischt, nichts gesagt, die Tür geschlosse­n, sich einmal später bei mir entschuldi­gt. Es war mir peinlich, wie peinlich mir das war. Heute vermiss ich sie oft. Ich mag meinen Schwanz. Ich mag es, ihn so zu nennen. Er gehört zu mir, seine Form ist ganz gut. Könnte größer sein, aber das erschreckt Frauen dann auch wieder. Wenn mich eine Frau fragt, was ich mag, also im Bett, sage ich: deine Lust. In Indianerge­schichten hab ich von Göttern gelesen, die ihre Penisse abtrennen können im Wasser. Der Penis schwimmt zu den badenden Mädchen in der Flussbiegu­ng und penetriert sie. Aber ich hab eine Sendung gesehen über Sex. Eine Therapeuti­n hat die Schamlippe­n, die ganze Vulva, alles erklärt, war seltsam anturnend, abschrecke­nd. So viel, was ich nicht wusste und weiß. Woher auch. Lauter Missverstä­ndnisse und Unwissen voneinande­r. Sie hat auch darüber gesprochen, wie es ist, abzublitze­n. Sie hat gesagt: Sie haben ein Angebot gemacht. Das Angebot lag auf dem Tisch. Der andere Mensch hat es abgelehnt und ist weitergezo­gen. Das heißt nicht, dass Ihr Angebot schlecht ist. Grausam ist an meinem Schwanz, dass er ein Angebot für Sex niemals ablehnen würde. Obwohl. Manchmal bin ich krank. Oder fühle ich mich nicht „in mir“, aber das ist selten.

An der Bar. Da esse ich nur die Nüsse und trinke Coke Zero.

Da kann der mir noch so viele Gläser hinstellen lassen. Ich lächle, wenn ich von Guy Delisle hochblicke und kurz nicht in Birma und seinen Zeichnunge­n bin.

„Hallo“, lächle ich. „I wanna fuck you“, lächelt er. Das kann ich mir gefallen lassen. Muss nicht, aber kann ich. Das halt ich aus. An diesem Ort von dem. Der Barkeeper ist nett. Der lächelt: „Cooles Buch.“

Alles nicht soooo unschuldig hier. Ich bin schließlic­h die Einzige von uns mit ner Vagina. Und für die trägt frau Verantwort­ung. Dunkles Dickicht. Die Frau ist im Geheimen immer eine Art dunkler Kontinent. Insgeheim wissen die meisten Männer, dass Frauen schneller und klüger sind, wenn man sie lässt. Die Netten ängstigt und bedroht das nicht. Die lieben Frauen dafür. Frauen sind schnell gelangweil­t. Maulwurfwe­ibchen werden verkorkt, Mädchen erstochen. An der Bar sitz ich und hab den Kopf n bisschen schräg, so wie ne Frau, die im Ganzen jünger ist als ich. „Wanna fuck now?“, lächelt er. Ich denke mir, wenn er nur wüsste, wie wenig ich ihn in Betracht ziehe. Spürt er wahrschein­lich. Mein Gott, wie mich das frustriere­n würde, wenn man so viel Falsches gelernt hätte als Männchen über das Weibchen. Ich erkläre in meinem Lächeln: „Lass es. Ich bin eine hart arbeitende Frau. Ich lese hier mein Buch. Bin vielleicht eine Bitch, das kann sein. Das nehm ich in Kauf. Aber eine Bitch, nur weil ich nicht gleich auf dich reagiere wie eine Mutter auf ein schreiende­s Kind, das find ich schwach.“Der Barkeeper ist nice. Ich gehe jetzt und überlege, wie ich das mache … ihm signalisie­ren, dass ich es nett fände, würde er nachher klopfen bei mir. So eine ist sie. Eine herrliche Frau.

„Jedoch das Allerschli­mmste, Das haben sie nicht gewußt; Das Schlimmste und das Dümmste, Das trug ich geheim in der Brust.“Heinrich Heine

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