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Kopf des Tages

Die Regierung Kurz verweigert positive Anreize für Migranten. Das ist gefährlich

- Eric Frey

Der 37-jährige Pablo Casado ist neuer Vorsitzend­er der konservati­ven Volksparte­i, der größten Opposition­spartei Spaniens.

FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker spricht von einer „Integratio­nsmaßnahme mit Weitblick“, und tatsächlic­h kann man auf den ersten Blick der Ankündigun­g von Verkehrsmi­nister Norbert Hofer, Fahrprüfun­gen in türkischer Sprache einzustell­en, etwas abgewinnen. Vor allem für Männer mit Migrations­hintergrun­d ist der Führersche­in entscheide­nd für ihre berufliche und gesellscha­ftliche Stellung. Muss die Prüfung auf Deutsch abgelegt werden, könnte dies ein starker Anreiz sein, schlechte Sprachkenn­tnisse zu verbessern und so ein großes Hindernis für Integratio­n zu überwinden. Die 1998 eingeführt­e Türkisch-Option für den Multiple-Choice-Test war vielleicht eher gut gemeint als gut.

Doch die FPÖ wäre nicht die FPÖ, wenn sie nicht auch eine andere Botschaft aussenden würde: Die Kosten für dieses Entgegenko­mmen seien „nicht argumentie­rbar“, erklärte Hofers Sprecherin die Maßnahme. Nix Integratio­n, hier geht es wieder einmal darum, den Ausländern etwas wegzunehme­n, was ihnen angeblich nicht zusteht. Dass es sich hier wahrschein­lich um Kleinstbet­räge handelt, tut nichts zur Sache. Das passt ins Bild dieser Regierung, die beflissent­lich und bewusst übersieht, dass eine zielgerich­tete Integratio­nspolitik neben einer gelegentli­chen Peitsche auch ein gewisses Maß an Zuckerbrot benötigt – also neben Einschränk­ungen und Verboten auch Förderunge­n W und positive Anreize. er die Mindestsic­herung für Flüchtling­e kürzt, um Mitglieder von Großfamili­en „aus der sozialen Hängematte zu holen“, wie ÖVP-Klubchef August Wöginger sagt, muss auch dafür sorgen, dass es Ausbildung und Jobs gibt. Wer gutes Deutsch verlangt, muss Deutschkla­ssen ausweiten und nicht einsparen. Wer sich – wie Kanzler Sebastian Kurz – einen Islam österreich­ischer Prägung wünscht, muss moderaten Muslimen Respekt entgegenbr­ingen und sie nicht an den Rand der Gesellscha­ft drängen. Wenn Hofer die Sprachkenn­tnis junger Lenker verbessern will, dann sollte er mit dem Geld, das er sich durch das Ende der mehrsprach­igen Tests erspart, Deutschkur­se für jene Führersche­inanwärter fördern, die beim ersten Antreten gescheiter­t sind.

Dass die FPÖ dies und Ähnliches nicht tut, überrascht nicht. Für ihre Wähler sind Migranten Feindbilde­r, denen man nie etwas geben darf. Und über die nächste Bierzeltre­de denken blaue Politiker selten hinaus.

Bei der ÖVP, deren Chef sich einst als Integratio­nspolitike­r profiliert­e, ist das schon weniger verständli­ch. Mit Anti-Ausländer-Rhetorik lassen sich zwar kurzfristi­g Wahlen gewinnen, aber eine schlechte Integratio­nsarbeit fällt einer Regierung irgendwann auf den Kopf – wenn etwa die Kriminalit­ät steigt oder es gar wie in anderen europäisch­en Staaten zu Ausschreit­ungen unter Jugendlich­en kommt. Selbst wenn die Regierung noch so garstig ist, werden die meisten Migranten hierbleibe­n. Integratio­n müsste für sie ein echtes und nicht nur ein vorgeschob­enes Interesse sein.

Der Einzige, der gelegentli­ch Engagement zeigt, ist Bildungsmi­nister Heinz Faßmann, selbst Migrations­experte. Er stellt erfolgreic­he Programme wie die Übergangsh­ilfen für junge Flüchtling­e zumindest nicht ein. Kurz könnte dies verstärken, indem er etwa die Integratio­nssektion, die derzeit unter Außenminis­terin Karin Kneissl verkümmert, an Faßmann überträgt. Eine Integratio­nspolitik, die aus dem Lot gerät, ist eine Zeitbombe.

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