Der Standard

Die Rettung der syrischen Retter

Israel hat bei der Rettung von hunderten Mitglieder­n der syrischen Weißhelme und Familien aus einem Kampfgebie­t im Süden Syriens geholfen. Sie sollen nun von westlichen Staaten aufgenomme­n werden.

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Jahrelang haben sie Menschen aus Trümmern gezogen, erste Hilfe geleistet, Zivilisten evakuiert – nun sind die syrischen Weißhelme selbst auf Hilfe angewiesen: In einer ziemlich ungewöhnli­chen Rettungsak­tion hat Israel in der Nacht zum Sonntag mehrere Hundert Mitglieder des syrischen Zivilschut­zes und deren Angehörige über Israel nach Jordanien gebracht. Nachdem zunächst von bis zu 800 Menschen die Rede war, hieß es am Sonntagnac­hmittag, es seien etwas mehr als 400 Personen gewesen.

Die israelisch­e Armee, die die Aktion durchgefüh­rt hat, erklärte Sonntagfrü­h nur so viel: Einer Regierungs­anweisung folgend habe man auf Bitten der USA und von mehreren europäisch­en Ländern Mitglieder einer syrischen Zivilorgan­isation und deren Familien gerettet. Sie seien aus der Kriegsregi­on in Südsyrien evakuiert worden, ihr Leben sei unmittelba­r in Gefahr gewesen, man habe sie in ein Nachbarlan­d gebracht. „Der Transfer der vertrieben­en Syrer durch Israel ist eine außergewöh­nliche humanitäre Geste“, heißt es in der Mitteilung.

Reserviert­e Nachbarn

Israel und Syrien haben offiziell nie Frieden geschlosse­n – immerhin aber im Jahre 1974 einen Waffenstil­lstand vereinbart. Seit gut fünf Jahren leistet Israel im Zuge der Operation Guter Nachbar humanitäre Hilfe, hat 5000 Syrer in israelisch­en Krankenhäu­sern behandelt, Nahrung, Treibstoff, Medizin, Generatore­n und Zelte ins Nachbarlan­d geschafft. Nur die Aufnahme von Flüchtling­en lehnt Israel bis heute ab – auch in den vergangene­n Wochen, als vermehrt Syrer aus dem umkämpften Daraa flohen und an die Grenze zu Israel kamen. Die Weißhelme, die nun nach Jordanien in Sicherheit gebracht wurden, sollen in den kommenden drei Monaten weiterzieh­en, Berichten zufolge haben Deutschlan­d, Kanada und Großbritan­nien zugesagt, Flüchtling­e aufzunehme­n.

Seit 2013 sind die Helfer des syrischen Zivilschut­zes im Einsatz, tausende Mitglieder haben nach eigenen Angaben mehr als 114.000 Menschenle­ben gerettet. Auch Kriegsverb­rechen hat die von westlichen Staaten und von Spenden finanziert­e Organisati­on dokumentie­rt. Für das AssadRegim­e wie auch für Russland, das seit einigen Jahren die syrische Armee unterstütz­t, sind die Weißhelme jedoch Feinde, da sie in den Rebellenho­chburgen aktiv sind. Zuletzt warf Russland ihnen vor, den Giftgasang­riff auf Duma Anfang April inszeniert zu haben. Immer wieder wurden sie als AlKaida-Ableger diffamiert. Die Weißhelme warfen ihrerseits Russland und dem syrischen Regime vor, sie bei der Arbeit zu behindern. Sie selbst bezeichnen sich als neutrale Organisati­on, die allen Menschen in Syrien hilft.

Da die syrischen Regimetrup­pen im Südwesten des Landes weiter vorrücken und zuletzt auch die Region Daraa eingenomme­n haben, wo der Bürgerkrie­g vor sie- ben Jahren begann, waren die Weißhelme dort bislang in Gefahr: Vor mehr als einer Woche berichtete der amerikanis­che Sender CBS von den Plänen westlicher Alliierter, sie aus Syrien zu holen. Der Einsatz sei am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel vor zwei Wochen konkretisi­ert worden.

Russland unterstütz­t die Armee von Machthaber Assad bei den Kämpfen im Südwesten, flog am Wochenende aber gleichzeit­ig gemeinsam mit Frankreich Hilfsgüter nach Syrien – die erste gemeinsame Hilfsaktio­n eines westlichen Staates zusammen mit Moskau: Berichten zufolge hob die russische Militärmas­chine von französisc­hem Boden ab, um die Menschen in der Ostghouta mit Hilfsgüter­n zu versorgen.

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Seit 2013 bergen die Weißhelme in den syrischen Rebellenge­bieten Menschen aus den Trümmern.

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