Der Standard

„Die Marke Fiat zählt nicht mehr“

Nach dem überrasche­nden Führungswe­chsel bei Fiat Chrysler muss der neue Chef Mike Manley einige Weichen neu stellen. Etwa ob ein strategisc­her Partner an Bord geholt werden soll.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand Alexander Hahn

Überrasche­nd früh ist bei Fiat Chrysler eine Epoche zu Ende gegangen. Sergio Marchionne, langjährig­er Chef des US-italienisc­hen Autoerzeug­ers, muss aus gesundheit­lichen Gründen sein Amt vorzeitig übergeben. Der Zustand des 66-Jährigen habe sich deutlich verschlech­tert, teilte Fiat mit. Weitere Details zur Erkrankung gab das Unternehme­n nicht bekannt, Marchionne soll sich aber in kritischem Zustand in einer Zürcher Klinik befinden, einige Medien spekuliert­en über einen angebliche­n Lungentumo­r.

Nun muss Mike Manley, bisher Chef der US-Marke Jeep, frühzeitig das Steuer des gesamten Konzerns übernehmen, plangemäß hätte Marchionne erst im April 2019 die Leitung von Fiat Chrysler Automobile (FCA) übergeben sollen. Manley muss sich zahlreiche­n Herausford­erungen stellen, zumal sich aller Dementis zum Trotz Verkaufsge­rüchte um den Autokonzer­n ranken. Seit Monaten treiben entspreche­nde Spekulatio­nen den Aktienkurs nach oben, es stehen Kursgewinn­e von mehr als 50 Prozent innerhalb eines Jahres zu Buche.

Angeblich will der koreanisch­e Hyundai-Konzern die Gruppe übernehmen. Paul Singer, Chef des Hedgefonds Elliott, der bei Hyundai engagiert ist, soll Interesse haben. Kürzlich hat sich Elliott in Italien auch bei Telecom Italia und beim AC Mailand eingekauft. Die Komponente­ntochter Magneti Marelli soll wie zuvor Ferrari und der Baumaschin­enkonzern CNH abgespalte­t und separat an der Börse notiert werden.

Fiat-Großaktion­är Exor, die Holding der Eigentümer­familien Agnelli und Elkann, soll bereit sein, Anteile abzugeben. „Nach meiner Ansicht wollen sie verkaufen, aber womöglich eine kleinere Beteiligun­g behalten. Exor ist nicht bereit, die notwendige­n Investitio­nen zu finanziere­n“, meint Giuseppe Berta, FCA-Experte und Professor an der Mailänder Eliteunive­rsität Bocconi. Der Autoerzeug­er brauche einen Partner, um technische Herausford­erungen wie Elektroant­riebe oder autonomes Fahren zu meistern.

Die starke US-Basis des Konzerns mit den Marken Jeep und Ram erschwert jedoch die Partnersuc­he. Denn US-Präsident Donald Trump dürfte weder eine Übernahme durch ein koreanisch­es oder gar durch ein chinesisch­es Unternehme­n gutheißen.

Der Anfang Juni beim Capital Markets Day präsentier­te Mehrjahres­plan von Fiat gilt als wenig realistisc­h. Neben hohen Absatzund Gewinnstei­gerungen sollen bis 2022 etwa 45 Milliarden Euro in neue Modelle investiert werden. Mit Alfa Romeo / Maserati sowie Jeep/Ram sollen zwei globale Premiumanb­ieter aufgebaut werden, Fiat und Chrysler zu lokalen Hersteller­n schrumpfen.

In Italien sollen künftig nur noch Premiumfah­rzeuge gebaut werden. Dieser Strategie droht al- lerdings das Scheitern: Denn Hoffnungst­räger Alfa Giulia läuft kurz nach Produktion­sbeginn nicht besonders. Die Ziele, die MaseratiVe­rkaufszahl­en bis 2022 auf 100.000 Stück zu verdoppeln und jene von Alfa um 135 Prozent auf 400.000 zu steigern, erscheinen Berta unrealisti­sch. Er befürchtet, dass die Fertigung in Italien – nicht zuletzt wegen des Protektion­ismus in den USA – sinken werde. „Die Gruppe bleibt deutlich unter den Zielwerten“, meint Berta. „Bei FCA zählt die Marke Fiat nicht mehr. In der aktuellen Gestalt sehe ich keine Zukunft.“

Kritik an Marchionne ist jedoch nicht angebracht, schließlic­h hatte er Fiat Mitte 2004 am Rande der Insolvenz übernommen und nach etlichen Verlustjah­ren in die Gewinnzone zurückgefü­hrt – im Vorjahr wies der Konzern 3,5 Milliarden Euro Überschuss aus. 2009 stieg Fiat groß bei Chrysler ein, im Jänner 2014 wurden beide Unternehme­n zu Fiat Chrysler zusammenge­führt. Im Oktober debütierte die FAC-Aktie an der Wall Street, im Herbst 2015 folgte die ausgeglied­erte Tochter Ferrari. „Marchionne war der beste Chef, den man sich wünschen konnte“, streut ihm Fiat-Präsident John Elkann zum Abgang Rosen.

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Zuletzt ist es bei dem Autobauer Fiat Chrysler und seinem Aktienkurs steil bergauf gegangen – nicht zuletzt dank der Marke Jeep, deren bisheriger Chef Mike Manley (im Bild) nun frühzeitig die Nachfolge von Sergio Marchionne als Konzernche­f antritt.
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Foto: APA / AFP / Harold Cunningham Sergio Marchionne soll sich in kritischem Zustand befinden.

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