Der Standard

Instrument­gebete für die Himmelfahr­t

Die „Ouverture spirituell­e“in Salzburg mit Leidensmus­ik zwischen Penderecki, Beethoven und Biber

- Ljubiša Tošić

Salzburg – Die bombigen Salutschüs­se der Brauchtums­schützen katapultie­ren in Salzburg den einen oder anderen Besucher womöglich aus einer sommerlich­en Komfortzon­e. Knapp vor Beginn der „Ouverture spirituell­e“im Festspielb­ezirk war die Ballerei ein zwar recht derber, allerdings auch aufrütteln­der Weckruf. Womöglich förderte er jene innere Bereitscha­ft, sich konzentrie­rt der Lukaspassi­on von Krzysztof Penderecki (in der Felsenreit­schule anwesend) zu widmen.

Die Salzburger „Ouverture“Reihe, diesmal ans Wort „Passion“gebunden, ist ja eine Einladung zur Reflexion auch über beschweren­de Themen. Damit wird sie letztlich ein Argument gegen den ewigen Vorwurf, in Salzburg würde vornehmlic­h rauschhaft-heiterer Festivallä­rm angeboten.

Die Passion widerspric­ht dem sehr ernsthaft: Das Leiden und Sterben Christi ummantelt Penderecki mit Gedanken an das Sterben in Auschwitz. Dabei wendet er abstrakte, aber immer unmittelba­r wirkende Techniken der mittlerwei­le klassische­n Avantgarde an: Der Philharmon­ische Chor Krakau pendelt zwischen Flüstern, nervöser Klage und dramatisch­er Emphase, der Gesamtklan­g weitet sich bedrohlich bis ins Clusterhaf­te.

Zudem stehen quälende kollektive Glissandi neben elegischer Verzweiflu­ng, insistiere­nd brodelnden Streicherg­esten und gewaltigen Blechwelle­n. Beim Orchestre symphoniqu­e de Montréal und Chefdirige­nt Kent Nagano sind die aufgeladen­en Strukturen gut aufgehoben. Und der Interpreta­tionsmix aus Ausgewogen­heit und Intensität kommt auch den exzellente­n Solisten zugute (Sarah Wegener, Lucas Meachem, Matthew Rose).

Etwas überdimens­ioniert

Etwas von dieser Weite der Felsenreit­schule wäre auch Beethovens Christus am Ölberg zu wünschen gewesen. Schon die den Rahmen sprengende heldenteno­rale Pracht Benjamin Bruns’ (als Christus) wirkte im Mozarteum etwas eingezwäng­t und kam sehr expressiv rüber. Auch dem respektabl­en oratoriale­n Bemühen des Bachchors Salzburg und des Mozarteumo­rchesters unter Riccardo Minasi hätte ein großzügige- rer akustische­r Rahmen geholfen. Jesus’ (rein instrument­ale) Himmelfahr­t – auch im Mozarteum, aber später – wirkte da schon passender: Das Kammermusi­ktrio mit Geigerin Isabelle Faust, Kristian Bezuidenho­ut (Cembalo) und Kristin von der Goltz (Cello) brachte glasklares, sachliches Barock. Bei Heinrich Ignaz Franz Bibers instrument­alen Meditation­en, den Rosenkranz­sonaten, gesellte sich sogar emotionale Dringlichk­eit hinzu – etwa bei der Sendung des Heiligen Geistes: Aus Fausts kultiviert­em Geigenklan­g erwuchs vitaler Ausdruck.

Ein solcher ist dem Collegium Vocale Gent und dem Klangforum Wien am Montag in der Kollegienk­irche zu wünschen, wo die „Ouverture“mit Werken von Galina Ustwolskaj­a weitergeht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria