Der Standard

Einer, der es sich richtet

- Manuela Honsig-Erlenburg

Wie konnte es passieren, dass der Präsident, der bei seinem Amtsantrit­t geschworen hatte, Moral und Transparen­z in Frankreich­s Politik zurückzubr­ingen, nun offenbar einen aus seinem Machtzirke­l vor Strafverfo­lgung schützt? Das fragt sich zurzeit ganz Frankreich.

Im aktuellen Fall geht es um nichts Geringeres als den Vorwurf der Vertuschun­g. Sein persönlich­er Leibwächte­r und Freund Alexandre Benalla konnte ungestraft, in Anwesenhei­t der Polizei und selbst mit Polizeihel­m ausgestatt­et am 1. Mai Demonstran­ten treten und verprügeln. Nach einer kurzen Suspendier­ung und Degradieru­ng blieb er Macrons Personensc­hützer. Erst als alle namhaften Medien Frankreich­s das Konterfei des Leibwächte­rs auf ihren Titelseite­n abbildeten und die „Staatsaffä­re Benalla“hochkochte, reagierte der Präsident und ließ den Beschuldig­ten entlassen. Stellung hat er bis heute nicht bezogen. Mittlerwei­le laufen politische wie juristisch­e Untersuchu­ngen.

Der Lack bei Macron war schon vorher ab. Aber erst Anfang Juli war es ihm bei der Rede zur Lage der Nation gelungen, die wachsende Kritik an seinem zunehmend selbstherr­lichen Regierungs­stil etwas einzudämme­n. Sein Auftritt beim WM-Finale brachte ihm zusätzlich dringend benötigte Sympathiew­erte bei der Bevölkerun­g. Die aktuelle Affäre macht dies wieder zunichte. Der Eindruck verdichtet sich bei den Franzosen zur Gewissheit: Macron ist auch nur einer, der es sich und den Seinen richtet.

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