Der Standard

Rechtsextr­emismus in Österreich

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Wenn Gottfried Küssel (59) im kommenden Jänner aus dem Gefängnis entlassen wird, kann er zu Hause NS-Devotional­ien, etwa eine bronzene Hitlerbüst­e, abstauben. Noch während seiner Haft hatte er erfolgreic­h auf Herausgabe seiner beschlagna­hmten Andenken geklagt. Sein Antrag auf vorzeitige Entlassung ist aber abgelehnt worden. 2013 war er – nicht zum ersten Mal – wegen nationalso­zialistisc­her Wiederbetä­tigung verurteilt worden.

Jahrzehnte­lang war Küssel die Führerfigu­r in der heimischen Neonazisze­ne gewesen. Seit seiner Verhaftung im Zusammenha­ng mit der rechtsradi­kalen Homepage alpen-donau.info im Jahr 2011 hat sich in der Szene aber einiges verändert.

Von den revisionis­tischen Altnazis, die früher auch als Geldgeber fungierten, lebt kaum mehr ein Vertreter, die neue Generation ist konspirati­ver und organisier­t sich hauptsächl­ich über soziale Medien im Internet und im verschlüss­elten Darknet. Der harte Kern von Neonazis wird von der Polizei auf einige hundert Personen geschätzt, die sich im Gegensatz zu Deutschlan­d in Österreich mit Massenauft­ritten zurückhalt­en. Gleichzeit­ig docken Neonazis und deren Sympathisa­nten immer häufiger an andere rechtsextr­eme Gruppierun­gen an, die teilweise hart an der Grenze zum Verbotsges­etz agieren.

„Nationalis­tisch ausgericht­ete Personen – zu einem großen Teil aus dem studentisc­hen und burschensc­haftlichen Milieu – bilden das primäre Rekrutieru­ngsziel einer in mehreren österreich­ischen Bundesländ­ern aktiven Bewegung, die behauptet, für Heimat, Freiheit und Tradition zu stehen“, hielt der Verfassung­sschutz 2013 fest.

Gemeint war die Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ), deren Führungsri­ege derzeit in Graz wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminelle­n Organisati­on der Prozess gemacht wird. Angesproch­en auf frühere Kontakte zu Küssel, sagte IBÖ-Mitbegründ­er Martin Sellner kürzlich vor Gericht, dass er mit diesen Kreisen nichts mehr zu tun habe. Ehemalige Angehörige der Küssel-Partie verfolgen den Prozess auch als Zuhörer.

Auch das Feindbild der Rechtsradi­kalen hat sich seit Küssels Verhaftung verändert: Neben antisemiti­scher Hetze stehen heute vor allem muslim- und flüchtling­sfeindlich­e Aktionen im Vordergrun­d. (simo)

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