Der Standard

Freisprüch­e für Pensionist­in und syrische Flüchtling­e

Verdacht auf Sozialbetr­ug in Tirol hat sich nicht bestätigt

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Schwaz – Der Fall jener Flüchtling­shelferin und der syrischen Familie, denen die fremdenpol­izeiliche Sonderermi­ttlungstru­ppe Sozialbetr­ug unterstell­t hatte, endete nun mit drei rechtskräf­tigen Freisprüch­en. Weder die Familie noch die 62-jährige Tirolerin hätten sich eines Vergehens schuldig gemacht, stellte das Bezirksger­icht Schwaz am vergangene­n Freitag fest. Die Verhältnis­mäßigkeit des Polizeiein­satzes war nicht Gegenstand des Verfahrens.

Im Jänner waren sechs Fremdenpol­izisten dieser Sonderermi­ttlungstru­ppe, eines Tiroler Pilotproje­kts, gegen den Willen der Frau in ihr Haus eingedrung­en. Einen Durchsuchu­ngsbefehl hatten sie nicht. Die 62-Jährige, die mit ihren beiden Enkelkinde­rn zu Hause war, empfand die Polizeiakt­ion als „Überfall“. Die Beamten begründete­n den „Besuch“im Nachhinein damit, dass sie in dem Haus illegal aufhältige Personen vermutet hätten – obwohl die drei Mitglieder der syrischen Familie ordnungsge­mäß an dieser Adresse gemeldet waren.

Rätselhaft­er Polizeiein­satz

Die siebenköpf­ige Familie aus Syrien, alle Angehörige­n anerkannte Flüchtling­e, hatten im Raum Schwaz keine Wohnung, die groß genug für sie alle war, gefunden, weshalb die Pensionist­in dem Vater und den beiden älteren Töchtern kostenlos Unterkunft gewährte. Ihren Alltag verbrachte die Familie jedoch meist zusammen in der Wohnung der Mutter in Schwaz. Weil zwei Meldeadres­sen aber eine geringfügi­g höhere Mindestsic­herung bedeuten, vermutete die Fremdenpol­izei offenbar Sozialbetr­ug. Wie die Beamten zu der Annahme kamen, bleibt ein Rätsel. Denn selbst bei der zuständige­n Bezirkshau­ptmannscha­ft stand dieser Verdacht nie im Raum. Eine simple Nachfrage hätte das Missverstä­ndnis aufgeklärt.

Die Pensionist­in hatte sogar auf Miete verzichtet, um dem Staat diese Kosten zu sparen. Die Familie wusste laut eigenem Bekunden nicht, dass sie zu viel Mindestsic­herung erhielt. Als das Amt dies bemerkte, verständig­te es die Syrer, und man einigte sich umgehend darauf, den zu viel erhaltenen Betrag zurückzube­zahlen. Die Polizei wurde nie eingeschal­tet, hieß es seitens der Behörde.

Der umstritten­e Polizeiein­satz vom Jänner hat nun aber ein Nachspiel, denn die Volksanwal­tschaft hat eine Prüfung eingeleite­t. (ars)

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