Schwieriges IS-Erbe
Österreich betreut in Syrien, Irak Inhaftierte
Wien – Unterlagen der irakischen Regierung über interne Dokumente des Islamischen Staates (IS), die dem STANDARD vorliegen, belegen, dass sich auch österreichische Staatsbürger dem Terrorregime angeschlossen und sogar zu Selbstmordattentaten bereiterklärt haben. Das Außenamt in Wien kümmert sich um Austro-Jihadisten, die im Irak oder in Syrien in Gefängnissen sitzen. Die diplomatische Mission für die Betreuung beziehungsweise Rückholung der Inhaftierten ist heikel, weil die Betroffenen auch als Gefahr für die innere Sicherheit Österreichs gelten.
Auch das Außenamt in Deutschland betreut im Ausland inhaftierte Landsleute. Im Irak konnte ein Todesurteil für einen deutschen IS-Kämpfer in lebenslange Haft umgewandelt werden. (red)
Der Zerfall des sogenannten Islamischen Staats (IS) versetzt das Außenministerium in eine unangenehme Rolle, die das Haus am Wiener Minoritenplatz nicht an die große Glocke hängen möchte. Seine Diplomaten müssen sich um Österreicher und Österreicherinnen kümmern, die im Ausland in Not geraten. Daher stellt sich diese Aufgabe auch im Zusammenhang mit Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen, die sich dem IS angeschlossen haben und nun in der Krisenregion in einem Gefängnis sitzen, nachdem sie von der syrischen oder irakischen Armee verhaftet worden sind.
„Wir werden bei derartigen Fällen aktiv, sobald wir davon in Kenntnis gesetzt werden“, erklärt Matthias Forenbacher, Pressesprecher der zuständigen Ministerin Karin Kneissl (FPÖ) knapp.
Innere Sicherheit
Die Betreuung oder Rückholung von Unterstützern des IS ist politisch brisant, gelten doch Rückkehrer als besondere Gefahr für die innere Sicherheit. Den Behörden in Wien ist etwa „eine Handvoll österreichische Personen bekannt, die sich in Syrien und dem Irak in Haft befinden“, heißt es seitens des Innenministeriums dazu auf STANDARD- Anfrage. Nachsatz: „Unter den Verhafteten sind auch Frauen und Kinder.“Es ist aber durchaus möglich, dass noch weitere österreichische Jihadisten und deren Familien gefangen genommen wurden. Weil „es sehr schwer sei, gesicherte Informationen aus den Kampfgebieten Syrien und Irak zu erhalten“, betont das Innenministerium.
Laut den aktuellsten Zahlen des Verfassungsschutzes sind den Behörden 313 aus Österreich stammende Personen bekannt, die sich aktiv am Jihad in Syrien und dem Irak beteiligen oder beteiligen wollten. Davon sind vermutlich 55 Personen in der Region ums Leben gekommen und 94 Personen wieder nach Österreich zurückgekehrt. Darunter auch Personen, die eine wichtige Rolle bei der Rekrutierung neuer Anhänger spielten.
Weitere 59 konnten an einer Ausreise gehindert werden. Dazu kamen mehr als 1400 in Österreich lebende Personen, die dem IS zeitweise auf Facebook als Fans folgten.
Dem STANDARD vorliegende interne Dokumente des IS, die von der irakischen Regierung Medien zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, dass sich Österreicher auch zu Selbstmordattentaten bereiterklärten. In diesen Unterlagen findet sich etwa der Name eines in Tschetschenien geborenen Mechanikers aus Wien, der gegenüber seinen IS-Kommandanten angab: „Ich will mich in die Luft sprengen.“Über seinen Verbleib ist nichts bekannt.
Kinder zurückgebracht
Von Österreich aus reisten, gemessen an der Bevölkerungszahl, vergleichsweise viele Menschen in die vom IS kontrollierten Gebiete, die sich vom Irak bis nach Syrien erstreckten. Aus Deutschland sind seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 970 Islamisten ins Kalifat gereist. Davon sind mindestens 92 Männer, Frauen und Kinder in Syrien, dem Irak und der Türkei in Haft.
Die Betreuung der Jihadisten und ihrer Familien übernimmt das Auswärtige Amt in Berlin; mehrfach haben Diplomaten und Beamte des Bundeskriminalamts Gefangene besucht.
Einige der deutschen Islamisten wurden bereits zu Gefängnisstrafen verurteilt oder, wie im Fall einer mutmaßlichen IS-Anhängerin aus Mannheim im Irak, zum Tode. Nach Intervention der deutschen Regierung wurde das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Erst kürzlich gab es Berichte, wonach Kinder von ISKämpfern nach Deutschland ausgeflogen und bei deren Verwandten untergebracht wurden.