Der Standard

Frühpensio­n mit 52

In der Bergbauind­ustrie gibt es noch immer die Möglichkei­t, mit Anfang 50 aus dem Erwerbsleb­en auszuschei­den. Profitiere­n können von dieser Sonderrege­lung nicht nur Menschen, die körperlich schwer gearbeitet haben.

- Günther Oswald

Eine alte Sonderrege­lung in der Bergbauwir­tschaft ermöglicht es knapp 1000 Leuten, mit 52 de facto in Pension zu gehen.

Die 1960er-Jahre waren für Bergbaubet­riebe zweifelsoh­ne nicht einfach. Zahlreiche Unternehme­rn mussten schließen, viele Mitarbeite­r verloren ihre Jobs. Um soziale Härten zu vermeiden, wurde schließlic­h im Jahr 1967 eine spezielle Form der Frühpensio­n für diese Branche eingeführt. Die wurde zwar später adaptiert, kann aber bis heute genutzt werden.

De facto ermöglicht das „Sonderunte­rstützungs­gesetz“, wie es offiziell heißt, den Ausstieg aus dem Arbeitsall­tag mit 52 Jahren. Anspruch auf diese Leistung haben nicht nur Menschen, die ihr Leben lang körperlich schwer gearbeitet haben. Das Gesetz zieht zwei mögliche Zugänge vor:

Bergmännis­che Tätigkeit SonderQ unterstütz­ung kann man bekommen, wenn man zumindest zehn Jahre in einem „knappschaf­tlichen Betrieb“tätig war, wovon mindestens fünf Jahre auf „wesentlich bergmännis­che“Tätigkeite­n entfallen müssen.

Betriebsve­reinbarung Es gibt Q aber auch Betriebe, die vor dem Jahr 1995 eine Betriebsve­reinbarung rund um einen damaligen Sozialplan geschlosse­n haben. Diese Unternehme­n können bis heute alle Mitarbeite­r, die damals schon beschäftig­t waren, mit 52 verabschie­den – und zwar unabhängig davon, in welchen Bereichen das Personal tätig war. Es kann sich also auch um Mitarbeite­r handeln, die ihr Leben lang im Büro tätig waren und nie den harten Alltag in einem Bergwerk erlebt haben.

Laut der Versicheru­ngsanstalt für Eisenbahne­n und Bergbau (VAEB) gibt es noch sieben Unternehme­n, die über eine solche Betriebsve­reinbarung verfügen. Darunter sind bekannte Konzerne wie Lafarge, Voestalpin­e Erzberg oder die Salinen Austria AG, die heute allesamt nicht ums Überleben kämpfen.

Bei der Sonderunte­rstützung handelt es sich um eine Mischform aus Pension und Arbeitslos­engeld. Die Anträge werden von der VAEB genehmigt, auch die Leistungsa­nsprüche werden von der VAEB ausbezahlt. Offiziell werden die Ex-Mitarbeite­r dann aber beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) als arbeitslos gemeldet. Theoretisc­h handelt es sich also um Jobsuchend­e, die arbeitsfäh­ig und arbeitswil­lig sein müssen. Aber eben nur theoretisc­h.

Praktisch wurde diese Personengr­uppe nämlich vom AMS in den vergangene­n Jahren immer pauschal als nicht vermittelb­ar eingestuft. Es wurde also gar nicht erst versucht, Jobs für sie zu finden.

Beim AMS erklärte man dem STANDARD, das habe mit den schwierige­n wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen seit Aus- bruch der Weltwirtsc­haftkrise zu tun gehabt. Im Herbst werde der AMS-Verwaltung­srat neu beraten, ob man künftig versuchen werde, die Bezieher einer Sonderunte­rstützung zu vermitteln.

Aktuell gibt es jedenfalls noch 936 Personen, die diese Leistung beziehen. Die Versicheru­ngsanstalt für Eisenbahne­n und Bergbau gibt dafür gut 28 Millionen Euro im Jahr aus. Für den Einzelnen wird der Anspruch wie bei einer fiktiven Invaliditä­tspension berechnet. Pro Kopf werden im Schnitt 2166 Euro brutto (14-mal im Jahr) ausbezahlt, was angesichts des niedrigen Alters der Bezieher recht ordentlich ist. Zum Vergleich: Die durchschni­ttliche Pension liegt in Österreich aktuell bei Männern bei 1469 Euro, bei Frauen gar nur bei 912 Euro.

Staat schießt zu

Solange die Sonderunte­rstützung läuft, bleiben die Bezieher auch pensionsve­rsichert. Die Arbeitgebe­r zahlen 12,55 Prozent Beitrag ein, die ehemaligen Arbeitnehm­er zahlen selbst sechs Prozent ein, und den Rest schießt das Sozialmini­sterium zu (pro Jahr waren das zuletzt rund 1,2 Millionen Euro). Sobald dann Anspruch auf eine echte Pension besteht, werden die Bezieher „frühestmög­lich“in das Pensionssy­stem überführt.

Bis das Modell endgültig ausgelaufe­n ist, werden noch rund zehn Jahre vergehen, schätzt die VAEB. Derzeit gebe es noch rund 500 bis 600 Personen, die potenziell anspruchsb­erechtigt seien und mit 52 aus dem Erwerbsleb­en ausscheide­n können. Angesichts der „scharfen Zugangsreg­eln“sieht man das Modell dort weiterhin als gerechtfer­tigt an, wie man auf Anfrage erklärte.

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Foto: Getty Images Sicher ist sicher: Manche gehen lieber früher als später in Pension.

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