Der Standard

Der Macron-Effekt verpufft

Die Regierung in Paris muss ihre Wachstumsp­rognosen zurücknehm­en – Reformproj­ekte des Staatspräs­identen wackeln

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Der französisc­he Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire räumte am Dienstag ein, dass er „die Wachstumsp­rognosen für 2018 revidieren“müsse. Damit bremst er die hochgeschr­aubten Erwartunge­n, auf denen die gesamte Wirtschaft­spolitik von Staatspräs­ident Emmanuel Macron beruhte.

Bisher war die Regierung in Paris von einem Wachstum von 1,7 Prozent für 2018 ausgegange­n – nach 2,3 Prozent im Jahr zuvor. Le Maire hatte gar mit einer Expansion des Bruttoinla­ndprodukte­s um zwei Prozent geliebäuge­lt. Jetzt fiel das zweite Quartal mit nur 0,2 Prozent Zuwachs so enttäusche­nd aus wie das erste. Le Maire nannte als Grund den wochenlang­en „Bahnstreik, die Ölpreiszun­ahme und die inter- nationalen Handelsspa­nnungen“. Die knapp über der Stagnation liegenden Wachstumsz­ahlen sind für die Staatsführ­ung ein herber Rückschlag.

Seit der Wahl Macrons Mitte 2017 hatte die französisc­he Wirtschaft in einem günstigen Umfeld zugelegt, was der junge Präsident als Beweis seiner eigenen Dynamik auslegte. Nun wird er in gewissem Sinn das Opfer äußerer Entwicklun­gen. Nicht einmal der Fußball-WM-Sieg verhalf Frankreich laut den neusten Quartalsza­hlen zu einem neuen Konsumschu­b. Die französisc­hen Exporte haben zwar im ersten Halbjahr leicht zugenommen, aber weniger als die Importe, sodass das mittlerwei­le chronische Handelsdef­izit Frankreich­s weiter steigt.

Obwohl die Landeskonj­unktur weitgehend von der Weltwirtsc­haft und nicht von Macron ab- hängt, wächst nun die Kritik an dem Präsidente­n, er tue zuwenig für die Löhne seiner Bürger. Le Maire forderte seine Landsleute am Dienstag zu mehr „Geduld“auf. Der Reformkurs der Regierung sei richtig und bleibe aktuell, nehme aber mehr Zeit als erwar- tet in Anspruch. „Nichts wird uns davon abbringen, für ein höheres Wirtschaft­swachstum zu kämpfen“, fügte er an.

Die schlechten Konjunktur­zahlen und die zunehmende Kritik bedrohen allerdings weitere Reformvorh­aben wie etwa den Abbau von 120.000 (von insgesamt fünf Millionen) Beamtenste­llen. Der Staatsante­il am BIP, der als Bremse einer dynamische­n Wirtschaft­sentwicklu­ng gilt, bleibt damit auf hohen 56, die Steuer- und Abgabenquo­ten bei 45 Prozent.

Die Konjunktur­bremse des ersten Halbjahres hat sich bereits auf die Arbeitslos­igkeit ausgewirkt: Sie stieg im zweiten Quartal wieder um 0,1 Prozent, nachdem sie im vergangene­n Jahr unter die Zehn-Prozent-Schwelle und bis auf 9,2 Prozent gefallen war. Damit verharrt die Arbeitslos­igkeit auf einem hohen Sockel, der laut Ökonomen weitgehend strukturel­l bedingt ist. Macron plant zwar eine umfassende Berufs- und Weiterbild­ungsreform, doch kommt das Vorhaben nicht recht vom Fleck.

Staatspräs­ident Macron hat bis zu seinem eigenen Mandatsend­e im Jahr 2022 noch Zeit, Frankreich von Grund auf zu erneuern. Mit steigender Kritik an Macron – der politisch bereits wegen der Prügelaffä­re seines Chefleibwä­chters unter Druck ist – wachsen aber auch die Widerständ­e gegen seinen Reformkurs. Einzelne Vorhaben musste er deshalb bereits aufschiebe­n. Ob er die ungleich brisantere Rentenrefo­rm wie angekündig­t nächstes Jahr durchziehe­n kann, scheint derzeit fraglich. Wenn aber Macrons Durchsetzu­ngsvermöge­n einbricht, wird das Wirtschaft­swachstum auch langfristi­g leiden.

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Foto: Reuters/Marchant Staatspräs­ident Macron verspürt zunehmend Druck.

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