Ist Sir Simon eine Fliege?
Xavier Le Roy, Cecilia Bengolea, Florentina Holzinger
Müssen wir uns Sorgen machen? Die Transformation eines Körpers der Klasse Schöpfungskrone in den eines potenziellen Kandidaten für die Fliegenklatsche war doch einst ein Schreckensszenario. Der arme Gregor Samsa in Franz Kafkas Erzählung Die Verwandlung von 1912! Und die Kreuzung zwischen Mensch und Fliege in David Cronenbergs Film The Fly (1986) fand ebenfalls zu keinem Happy End.
Jetzt aber drehen Cecilia Bengolea und Florentina Holzinger diesen Spieß um. Aus der Bedrohung, die der Verlust des Menschseins darstellte, wird eine Hoffnung mit dem Titel Insect Train. Oder zumindest eine Gelegenheit. Denn schon Heiner Müllers Hamlet sagt: „Ich will eine Frau sein.“Und der Hamlet-Darsteller in seiner Hamletmaschine leidet: „Ich will eine Maschine sein. (...) kein Schmerz, kein Gedanke.“
Die Wissenschafterin und Feministin Donna Haraway denkt eher, dass „alle Erdlinge im tiefsten Sinn verwandt sind“und stellt sich mit Spider-Woman eine gewandelte Gesellschaft vor. In diese Richtung krabbelt auch Bengoleas und Holzingers Insect Train.
Dirigent Sir Simon Rattle dagegen blieb Mensch, als sich einst der Choreograf Xavier Le Roy in ihn verwandelte. Dieser tritt nun in Gestalt dreier Tänzer auf. In Le Roys Le sacre du printemps dirigieren drei junge Leute kein (richtig: kein!) Orchester. Und sie sind LeRoy-Darsteller als Verwandlungen eines Simon-Rattle-Darstel- lers. Fazit: Keine Sorge, Transformation accomplished. Insect Train, Odeon, 10. 8., 21.00; 11. 8., 19.30 (Zusatz); 12. 8., 22.30 Le sacre du printemps (2018), MQ Halle G, 12. 8., 18.00 + 21.00