Louises Tanz auf einem Schlachtfeld
Was heute radikal ist: das Licht und die Einfachheit für Salva Sanchis, der Narzissmus und die schwierigste Frage der Welt bei Ivo Dimchev respektive der unaufhaltsam immer näher rückende Tod bei Mark Tompkins. Drei Männer ohne Nerven fühlen dem Leben auf
Mit dem Radikalen ist es immer so eine Sache. Wirkt es denn wirklich noch so arg schockierend, sich auf der Bühne auszuziehen, mit Fäkalien und Geschlechterrollen zu spielen?
Oder ist das, in Zeiten, die so entsetzlich komplex geworden sind, dass manche Menschen unter diesem Druck völlig unverschuldet zu besorgten Bürgern mutieren, nicht eigentlich schon komplett marktkonform und höchstens noch „radikal“neoliberal?
Salva Sanchis ist da schon viel weiter. Radical Light, das am 5. August im Volkstheater läuft und bereits letztes Jahr zu sehen war, ist radikal – einfach. Fünf Tänzerinnen und Tänzer, inklusive des Choreografen selbst, bewegen sich zu Minimal Techno, 120 Beats pro Minute.
Radikal ist, dass Sanchis sich schlicht auf die Grundkonstanten des Tanzes verlässt: Rhythmen, Körper und die Bewegungen, die diese vollziehen können. In dieser Einfachheit ist Radical Light ein Fest. Gefeiert wird das Wunderwerk des menschlichen Körpers.
Eher sich selbst feiert Impulstanz-Haudegen Ivo Dimchev, den man durchaus als radikal im herkömmlichen Sinne bezeichnen kann. Mit Einfachheit hat er es nur bedingt. Dafür steht er sich selbst sehr nahe. In einem Porträt der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit wurde er einmal als „hemmungsloser Narzisst“bezeichnet.
Da passt es gut, dass er sich in seiner neuesten Arbeit des bevorzugten Darstellungsmittels eines jeden ordentlichen Narzissten bedient: des Selfies.
Mach ein Bild von dir mit Ivo
Das Konzertformat Ivo Dimchev, A Selfie Concert am 6. und 9. August im Mumok sieht so aus: Dimchev singt, das Publikum kann indes fortwährend Selfies mit ihm machen. Man darf getrost davon ausgehen, dass hier ein neuer Trend geschaffen wird, der bald die großen Bühnen der Welt erreicht haben wird. Seien Sie dabei!
Die Bedingungen des eigenen Performanceschaffens erkundet Dimchev gemeinsam mit einer Forschungsgruppe am 10. August im Research-Project-Showing Voilà – the most important thing in the universe. Und mit dem Titel geht es auch schon los: Was ist denn nun das Wichtigste im Universum? Geht es um Ästhetik oder Geld, um Didaktik, Information oder Unterhaltung? Dimchev und seine Gruppe untersuchen hier Fragen, die sich wahrlich alle Kunstschaffenden stellen sollten – und deren Vernachlässigung oft genug zu schweren künstlerischen Fehltritten führt.
Ob Mark Tompkins wohl auch auf solche zurückblickt? Davon ist nicht auszugehen, in jedem Fall aber wirft der amerikanischfranzösische Sänger, Tänzer und Choreograf in Stayin Alive am 4. August einen Blick auf die Relikte seiner langen Karriere. Und er schaut vor allem nach vorn, wo ein immer näher rückender Tod wartet.
Eine lange Karriere kann natürlich nur haben, wer auch ein entsprechendes Alter erreicht, inklusive Verfalls, Gebrechen, Trauer und Verlusts. Da können sich die Performer und Performerinnen dieser Welt noch so abmühen: Am Ende ist halt nichts radikaler als das Leben selbst. Orte und Zeiten siehe Programm Seiten I 4 und I 5