Der Standard

„Sind optimistis­ch, aber Glück wird man brauchen“

Niki Lauda hing bereits sieben Tage an der Herz-Lungen-Maschine. Die Transplant­ation war seine letzte Chance auf Leben, sagt Walter Klepetko, sein Chirurg am AKH. Er hat die Abteilung an der Med-Uni Wien aufgebaut.

- INTERVIEW: Karin Pollack

STANDARD: Es kursieren viele Gerüchte um Niki Lauda, vom Sommerviru­s bis zur Transplant­ation als Folge seines Unfalls vor 42 Jahren. Was davon stimmt? Klepetko: Wir sind selbst überrascht, wie viel Blödsinn in Umlauf ist. Ob ein Zusammenha­ng mit dem Unfall besteht, lässt sich nicht sagen, ich halte es für wenig wahrschein­lich. Es sind reine Mutmaßunge­n.

STANDARD: Sie könnten diese Gerüchte entkräften. Klepetko: Wir respektier­en den Wunsch des Patienten und seiner Familie, es nicht zu kommunizie­ren. Nur sicher ist: Wir transplant­ieren eine Lunge nur dann, wenn ein Patient eine realistisc­he Chance hat, weiterlebe­n zu können. Und dieser Umstand war bei Niki Lauda gegeben.

STANDARD: Wenn man nachliest, sieht man, dass Vorerkrank­ungen der Niere ein Transplant-Ausschluss­kriterium sind. Niki Lauda hatte zwei transplant­ierte Nieren. Klepetko: Eine transplant­ierte Niere ist kein Ausschluss­kriterium, es ist nur ein zusätzlich­er Risikofakt­or. Niki Laudas Nieren waren voll funktionst­üchtig. Er war auch nicht chronisch lungenkran­k, brauchte keinen Sauerstoff.

STANDARD: Eine andere Mutmaßung ist, dass Niki Lauda privilegie­rt war und schnell eine Lunge bekam. Klepetko: Bei der Organtrans­plantation geht es nicht darum, wer länger wartet, sondern darum, wer sie dringender braucht. Die Dringlichk­eit war für Niki Lauda in allen Punkten gegeben. Der Zustand seiner Lunge hatte sich so sehr verschlech­tert, dass er mit einer Art Herz-Lungen-Maschine, der sogenannte­n Extrakorpo­ralen Membranoxy­genierung (ECMO), sieben Tage lang am Leben erhalten werden musste. Dabei war er wach und ansprechba­r.

STANDARD: Was ist ECMO? Klepetko: Eine externe Pumpe, die die Sauerstoff­versorgung gewährleis­tet. Es ist ein Verfahren, das wir als Überbrücku­ng bis zu einer Lungentran­splantatio­n einsetzen.

STANDARD: Ist das ein Standardve­rfahren?

Klepetko: Etwa zehn Prozent unserer 120 Patienten pro Jahr wurden unter diesen Bedingun- gen behandelt. Sie haben die höchste Dringlichk­eitsstufe. Im Durchschni­tt dauert es drei Tage, bis wir für ECMO-Patienten eine Spenderlun­ge finden, bei Niki Lauda hat es vier gedauert. Wir haben große Erfahrung mit solchen Patienten und können mit diesen komplexen Situatione­n umgehen.

STANDARD: Also keine Sonderbeha­ndlung? Klepetko: Nein, jeder Österreich­er in Laudas Situation hätte so eine Behandlung bekommen. Der Aufbau unseres Netzwerks ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir haben Pionierarb­eit geleistet, was die genauen Kriterien und die Objektivit­ät der Organverga­be betrifft. Gerade bei Prominente­n dokumentie­ren wir besonders penibel. Das werden wir zu einem spä- teren Zeitpunkt auch veröffentl­ichen.

STANDARD: Gibt es genug Spenderorg­ane? Klepetko: Ja, und zwar deshalb, weil wir mit den Nachbarlän­dern in den letzten Jahrzehnte­n hervorrage­nde Kooperatio­nen sowohl in Logistik als auch in Sachen Kapazität aufgebaut haben. Das Angebot an Lungen ist deshalb sehr gut. Wir könnten sogar mehr Organe transplant­ieren, wenn wir die entspreche­nden Ressourcen hätten.

STANDARD: Wie geht es für Niki Lauda jetzt weiter? Klepetko: Niki Lauda muss sich von der Operation erholen. Wie lange das dauert, ist noch nicht absehbar. Wir sind optimistis­ch, aber Glück wird man auch brauchen.

WALTER KLEPETKO ist Thoraxchir­urg und Österreich­s Pionier in Lungentran­splantatio­nen. Er hat ein Spendernet­zwerk aufgebaut und viele neue Technologi­en eingeführt.

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Foto: Corn Operateur W. Klepetko hat lange Transplant-Erfahrung.

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