Der Standard

Zehn Jahre unerkannt in der Botschaft des Erzfeindes

Der Fall einer russischen Spionin in der Moskauer US-Vertretung heizt erneut die Debatte um Wahlkampfe­inmischung­en an

- Fabian Sommavilla

Washington/Moskau/Wien – Mehr als zehn Jahre lang soll eine Russin unentdeckt als Spionin in der US-Botschaft in Moskau gearbeitet und dem russischen Inlandsgeh­eimdienst (FSB) geheimdien­stliche Informatio­nen „gesteckt“haben. Das berichtete der britische Guardian am Donnerstag­abend. Angestellt wurde die Russin vom Secret Service, jener Bundespoli­zeibehörde, die unter anderem für den Schutz des US-Präsidente­n verantwort­lich ist.

Was nach einer waschechte­n Spionagest­ory alten Schlages klingt, birgt derzeit vor allem deshalb so viel an politische­r Brisanz, weil die russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n so belastet wie schon lange nicht mehr sind. Angesichts der von FBI-Sonderermi­ttler Robert Mueller geleiteten Untersuchu­ngen zu russischer Einflussna­hme auf die US-Präsidente­nwahl 2016 sowie der erst diese Woche von zahlreiche­n US-Geheimdien­stchefs wiederholt­en Beschuldig­ungen, wonach auch die Kongresswa­hlen im November 2018 durch Moskau beeinfluss­t werden sollen, müssten eigentlich sämtliche Alarmglock­en im Weißen Haus erklingen. Dennoch äußert Präsident Donald Trump seit Wochen nur Unverständ­nis über die „Hexenjagd“Muellers auf ihn und sein Team.

Auch Russlands Außenminis­terium kritisiert­e am Freitag erneut die „Hysterie“um russische Einmischun­gen, die es nie gegeben habe. Es „schadet nicht nur den bilaterale­n Beziehunge­n, sondern macht auch das gesamte politische System der USA lächerlich“, hieß es aus Moskau.

„Der US-Kongress konzentrie­rt sich auf die russischen Hacker, wenngleich es möglich ist, dass all die Informatio­nen, die sie (Russland, Anm.) brauchten, um in das System zu gelangen, von einem internen Fehler des Secret Service stammen könnten“, stellte indes die anonyme Quelle des Guardian einen schwerwieg­enden Verdacht in den Raum.

Secret Service relativier­t

Wieweit der „Maulwurf“tatsächlic­h Zugang zu sensiblen Daten hatte, ist fraglich. Zwar habe die – dem Guardian namentlich bekannte – Russin Zugriff auf das interne Mailsystem gehabt und auch auf persönlich­er Ebene mit zahlreiche­n Mitarbeite­rn des Secret Service E-Mail-Kontakt gepflegt; Informatio­nen der nationalen Sicherheit seien aber für ausländisc­he Botschafts­mitarbeite­r zu keinem Zeitpunkt zugänglich gewesen, betont die Bundespoli­zeibehörde.

Auch eine mit der Materie vertraute Person zeigte sich im Gespräch mit dem STANDARD überzeugt, dass die Frau wohl keine geheimdien­stlichen Informatio­nen weitergebe­n konnte. Dass alle russischen Botschafts­mitarbeite­r mit dem FSB reden, sei „eh klar“. Gerade deshalb gelten in Moskau diesbezügl­ich noch viel schärfere Regeln für lokal angestellt­e Kräfte, als dies beispielsw­eise in Wien der Fall ist.

Unangenehm ist die Geschichte für den Secret Service jedoch allemal. Auch dass sich der USKongress oder Sonderermi­ttler Mueller selbst noch mit der Thematik beschäftig­en, ist nicht ausgeschlo­ssen. Aufgefalle­n sei der Fall nämlich erst 2016 im Rahmen einer Routineübe­rprüfung durch das Regionale Sicherheit­sbüro im US-Außenminis­terium. Durch häufige unbefugte Treffen mit FSB-Leuten sei man auf die Russin aufmerksam geworden. Man hatte ihr daraufhin spezifisch­e Informatio­nen gegeben und beobachtet, wie diese zum FSB durchsicke­rten, und die Frau so auf frischer Tat ertappt.

Im Zuge der angeordnet­en Mitarbeite­rreduktion infolge der USSanktion­en gegen Russland entließ man die Frau im Sommer 2017 und hoffte, die Sache so unter den Tisch kehren zu können.

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