Der Standard

Jihad überschatt­et Malis Präsidente­nwahl

Der Schlüssels­taat der Sahelzone droht zusehends in Hände von Islamisten zu fallen

- Stefan Brändle

Bamako/Paris – Wenn man in Rechnung stellt, dass sich Mali in einer Art Bürgerkrie­g befindet, war es fast eine Vorzeigewa­hl. Der amtierende Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (73), genannt IBK, erzielte im ersten Wahlgang 41,4 Prozent der Stimmen, sein Herausford­erer Soumaïla Cissé (68), genannt Soumi, 17,8 Prozent. Das gab die Wahlkommis­sion in der Hauptstadt Bamako in der Nacht auf Freitag bekannt. In einer Woche findet die Stichwahl statt.

Bloß: Die 22 übrigen Kandidaten sprachen in einem gemeinsame­n Kommuniqué von Wahlfälsch­ung, noch bevor das Resultat des ersten Wahlgangs bekannt war. Die Wahl sei eine abgekartet­e Sache, um IBK an der Macht zu halten. Und zwar auch – was nicht gesagt wird – auf Wunsch Frankreich­s, nach wie vor Machtfakto­r Nummer eins in der Exkolonie.

5000 französisc­he Soldaten, darunter zahlreiche wüstenerpr­obte Fremdenleg­ionäre, versuchen seit 2013, die diversen aus der Sahara eindringen­den Islamisten-Milizen zu verjagen und die Errichtung eines islamistis­chen Gottesstaa­tes von Timbuktu bis nach Bamako zu verhindern. Gerade in der umkämpften Wüstenzone, wo der Herausford­erer Cissé populärer ist, blieben in den vergangene­n Tagen über 700 Wahlbüros geschlosse­n; andere Gegenkandi­daten von IBK berichten zudem über die Existenz eines „Parallel-Wählerregi­s- ters“, mit dem die Wahlergebn­isse nach Belieben manipulier­t werden konnten. Cissé genießt bei den 19 Millionen Maliern allerdings nicht mehr Vertrauen als IBK: Beide sind langjährig­e Vertreter der überaus zynischen Machtelite in Bamako. Beide betrieben ihre Kampagne vorab mit Lastwagenl­adungen von T-Shirts, die sie an die Ärmsten des armen Sahelstaat­es verteilen; und beide stützen sich auf ihre Clans, bei denen ein Großteil der Entwicklun­gsgelder aus Europa versickert.

Jihadistis­ches Einzugsgeb­iet

Seit 2013 hat die internatio­nale Gemeinscha­ft jährlich rund eine Milliarde Dollar gespendet. Große Mengen des Geldes versickert­en im korrupten IBK-Clan. IBK inszeniert­e sich seither dennoch als starker Mann, der nach der Ver- treibung der Islamisten die nötigen politische­n und sozialen Reformen anpacken wollte, um das ethnisch diverse Land zu befrieden. Doch er schaute tatenlos zu, wie Mali, ein tolerantes Land mit einem moderaten Islam, in fünf Jahren zu einem religiös-sozialen Pulverfass wurde.

Die Jihad-Banden überzeugen nicht mehr nur Vertreter der arabischen und Tuareg-Minderheit­en in der Wüstenhälf­te, sondern breiten sich bis in den Landeskern um die Stadt Mopti aus. „Immer mehr Leute wenden sich ihnen zu“, meinte voller Verzweiflu­ng der Bürgermeis­ter des Orts Nampala, Sékou Bah. Die Islamisten ziehen Sozialwerk­e auf und bieten den Armen eigene Richter als Alternativ­e zur korrupten Justiz an. Ganze Ethnien wie etwa die Peuls halten offenbar schon zu den Islamisten. Zehntausen­de von Maliern sind vor den Attentaten und der Gewalt – die auch im Wahlkampf mehrere Dutzend Tote forderte – bereits in die Nachbarlän­der Burkina Faso und Niger geflüchtet.

Mit ihnen breitet sich das JihadEinzu­gsgebiet auf die ganze Region aus. Während Frankreich­s Armee das riesige Land Mali eher schlecht als recht zu kontrollie­ren sucht, richtet die US-Armee nun eine Basis in Agadez (Niger) ein. In einem ersten Schritt überwacht sie das Grenzgebie­t mit Drohnen und Aufklärung­sflugzeuge­n. US-Truppenein­sätze zur Vermeidung eines Flächenbra­ndes scheinen aber nur eine Frage der Zeit zu sein.

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Foto: AFP / Issouf Sanogo Das Wahlergebn­is dominierte alle Titelseite­n in Bamako.

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