Der Standard

Fachkräfte­mangel wird spürbar

Dank der guten Konjunktur schaffen österreich­ische Betriebe viele neue Jobs. Die passenden Mitarbeite­r sind in manchen Regionen regelrecht Mangelware. Manche Unternehme­n müssen sogar Aufträge ablehnen.

- Regina Bruckner

Der Beschäftig­ungsmotor läuft auf Hochtouren. Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmar­ktservice Österreich (AMS), verpackte die jüngsten Arbeitsmar­ktdaten in eine launige Botschaft: „In Österreich konnten wohl noch nie so viele Menschen über die Hitze am Arbeitspla­tz stöhnen wie heuer.“

Bei einem Beschäftig­ungszuwach­s von 85.000 Personen und einer Gesamtzahl von rund 3,8 Millionen unselbstst­ändig Beschäftig­ten sind so viele Menschen in Brot und Lohn wie nie zuvor. Die Arbeitslos­igkeit sinkt weiter – Monat für Monat, die Zahl der offenen Stellen stieg im Juli im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 21,6 Prozent auf 79.099. Die Kehrseite: In manchen Bundesländ­ern ist der Arbeitsmar­kt wie leergefegt.

Bei einem Bedarf an 60.000 Fachkräfte­n pro Jahr fehlen nach Schätzunge­n der Industrie heuer bis zu 11.000 Fachkräfte – am häufigsten im Westen. Tatsächlic­h habe sich das Problem seit dem Vorjahr kräftig verschärft sagt Thomas Netzer, Geschäftsf­ührer vom AMS Innsbruck. „Wir haben mit 3,3 Prozent Arbeitslos­igkeit fast Vollbeschä­ftigung.“Nicht nur die vielbespro­chenen Köche und Kellner werden händeringe­nd gesucht. Im Metallbere­ich fehlen 300 Leute, bei den Elektrotec­hnikern 200, im Bau- und Baunebenge­werbe 255. „Wir können den Betrieben die Leute nicht liefern, die sie brauchen“, sagt Netzer.

Gesucht wird vor allem im Produktion­sbereich, und da sind besonders Nachwuchsf­achkräfte und Lehrlinge gefragt, ergänzt Netzers Kollege Anton Kern von der Landesgesc­häftsstell­e Tirol. Er schreibt dies auch der demografis­chen Entwicklun­g zu. Zwischen 2008 und 2018 hätte man jährlich um 2000 Geburten weniger verzeichne­t. Laut Netzer führt der Fachkräfte­mangel dazu, dass manche Firmen Aufträge gar nicht annehmen könnten. So hätte das AMS Innsbruck im vergangene­n August für einen Umbau eine Baufirma gesucht. „Wir haben drei Monate lang keine gefunden.“

Grundsätzl­ich ist die Lage regional sehr unterschie­dlich. Wäh- rend die Zahl der Arbeitslos­en im Juli in Tirol um über 17 Prozent zurückging, sank sie in Wien um nur drei Prozent. Stark war der Rückgang auch in der Steiermark, und in Oberösterr­eich.

Der Blick auf die Fachkräfte­mangellist­e beim AMS zeigt, dass es in vielen Branchen an qualifizie­rten Kräften fehlt. Maschinenb­autechnike­r, Elektroins­tallateure, Dreher, Schlosser sind gefragt. Robert Machtlinge­r vom oberösterr­eichischen Flugzeugzu­lieferer FACC kann ein Lied davon singen. Für den Millionena­uftrag für Airbus, der jüngst an Land gezogen wurde, läuft die Fertigung 2020 an. Derzeit werden wöchentlic­h 70 bis 100 Bewerbungs­gespräche geführt. Das Geschäft sei zwar gut planbar, um die qualifizie­rten Mitarbeite­r buhlen in der Region mit rund vier Prozent Arbeitslos­igkeit aber auch andere Leitbetrie­be wie KTM oder die Amag.

Auf Machtlinge­rs Liste stehen 50 Berufe, die in seiner Firma ge- fragt sind. Vom Werkzeugma­cher über Tischler bis zum Belederer. Und natürlich „Maschinenb­autechnike­r und Maschinenb­auschlosse­r, die sucht jeder.“Die Innviertle­r haben sich einiges ausgedacht, um für neue Mitarbeite­r attraktiv zu sein. Zum Beispiel eine eigene FACC-Akademie, in der Interessie­rte eine Lehre nachholen können. Außerdem lobt das Unternehme­n vier Stipendien an der Fachhochsc­hule Wels für den%$Studiengan­g „Leichtbau und Composite-Werkstoffe“aus. In der Hoffnung, dass die Absolvente­n dann bei FACC landen.

Machtlinge­r findet, die Lehre gehöre aufgewerte­t. Sinnvoll hielte er die Lehre für AHS-Absolvente­n, nach deutschem Vorbild. Und „die Lehrpläne müssten noch schneller Richtung Digitalisi­erung und Automatisi­erung nachjustie­rt werden. Das gilt aber auch für HTL und Fachhochsc­hulen. Das könnte schneller gehen.“

Für Anton Kern vom AMS Tirol ist „der zweite Bildungswe­g wichtig, weil es so wenige Jüngere gibt“. Befürchtet er jetzt, wie viele Bildungsei­nrichtunge­n, Kürzungen in diesem Bereich? Kern malt lieber nicht den Teufel an die Wand. Jetzt heiße es abwarten.

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Foto: FACC Beim Flugzeugte­ilbau legen noch immer Menschen Hand an.
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