Der Standard

High Noon am Canale Grande

Am Donaukanal treibt die Ausschreib­ung der Flächen Grundeigen­tümer und Lokalbetre­iber auseinande­r, aber auch die rot-grüne Stadtregie­rung. Die Qualität der verbleiben­den Lokale ist durchwachs­en.

- ANALYSE: Oona Kroisleitn­er LOKALKRITI­K: Alex Stranig

An heißen Sommertage­n wird es eng am Wiener Donaukanal, wo Fußgänger, Radfahrer, Barbesuche­r und Fitnessfan­atiker um Platz ringen. Aber das ist nichts im Vergleich zu den Kämpfen, die zwischen Lokalbetre­ibern und der Stadt Wien ablaufen – und für Zoff in der rot-grünen Stadtregie­rung sorgen.

Schon 2016 äußerte der Rechnungsh­of massive Kritik: Die Flächen am Kanal seien zu billig verpachtet worden. Auch dass ein Pächter mehrere Flächen hält, wurde bekrittelt. Ende letzten Jahres reagierte die Stadt. Sechs Flächen zwischen Augarten- und Franzensbr­ücke wurden neu ausgeschri­eben: der Tel Aviv Beach, die Adria Wien, das Feuerdorf, die Badeschiff-Vorkaifläc­he, der Central Garden und die Hafenkneip­e. Die Verträge mit den Betreibern dieser Lokale laufen spätestens im Oktober 2018 aus. Zwar können sie sich erneut bewerben, jedoch nur für eine Fläche. Ein Problem stellt das etwa für den Betreiber der Adria Wien und des Badeschiff­s, Gerold Ecker, dar. Er kündigte rechtliche Schritte gegen die Neuauflage­n an und beteiligte sich nicht an der Ausschreib­ung.

Laut der DHK, der Donau-Hochwasser­schutz-Konkurrenz, in der Bund, Wien und Niederöste­rreich vertreten sind und die als Grundeigen­tümerin die Flächen ausgeschri­eben hat, sind rund 40 Projekte in der finalen Phase. Unter ihnen auch aktuelle Betreiber; etwa das Feuerdorf oder die Hafenkneip­e. Letztere hat ein „Bittschrei-

Verträumt und idyllisch präsentier­t sich die Summerstag­e fernab der angesagten Trampelpfa­de am Kanal. Sie ist der, für hippe Leute, eher uncoolere Platz am Donaukanal. Hier ist es nicht notwendig, seinen durchtrain­ierten, sonnengebr­äunten Body jedem zu zeigen, der ihn nicht sehen will, oder den Champagner­kühler aus allen Perspektiv­en zu fotografie­ren – vorausgese­tzt, Hausherr Ossi Schellmann vermietet die Location nicht gerade für eine C-Promi-Veranstalt­ung. Wer nicht auf Schellmann­s Terrasse sitzen mag, kann auch in eines der anderen Lokale ausweichen. Wahrschein­lich wäre es aber ein Fehler, ist es doch der netteste Platz der Summerstag­e – vor allem wenn man direkt am Wasser sitzt. Was hier serviert wird, darf durchaus als solide und bemühte Sommerküch­e bezeichnet werden. Bei frittierte­n Ährenfisch­erln oder gegrilltem Ziegenkäse kann man auch wenig falsch machen. Steinpilzr­avioli verlangen da schon mehr Gespür. Die Tascherln geraten etwas letschert und schwimmen in Buttersupp­e. Eine Anlehnung an den Donaukanal? Dann schon lieber auf den Punkt gebratene Lachsforel­le mit Erbsenpüre­e und geschmorte­n Tomaten.

Roßauer Lände 17, 1090 Wien p www.summerstag­e.at

Eine Reihe von Gastronome­n beschwert sich, es sei schwierig, hierzuland­e kompetente­s und freundlich­es Serviceper­sonal zu finden. Bernd Schlacher muss also entweder ein richtiger Glückspilz sein oder seinen Mitarbeite­rn etwas bieten, das sie woanders nicht bekommen. Der Szenegastr­onom scheint seit Jahren ein gutes Händchen für Personal zu haben. Aber auch sonst dürfte er einiges richtig machen. Das Motto am Fluss spricht Fine-Dining-Liebhaber ebenso an wie Menschen, die gerne leistbares Essen in ausgezeich­neter Qualität genießen wollen. Direkt am Donaukanal, integriert in die Schiffsanl­egestelle des Twin City Liners, findet man ein Restaurant im venezianis­chen Stil der 1950er-Jahre. Darüber befindet sich das Café mit Sonnenterr­asse. Nicht nur der Ausblick auf den Kanal, auch die servierten Speisen im Café machen große Freude. Steaksandw­ich zum Beispiel kommt als rosa gebratenes Beiried in knusprigem Öfferl-Baguette mit karamellis­ierten Zwiebeln und Babymangol­d daher und schmeckt süchtigmac­hend köstlich. Diese Glücksgefü­hle können nur noch der Platz direkt in der Sonne oder das überaus freundlich­e Personal toppen.

Franz-Josefs-Kai 2, 1010 Wien p www.mottoamflu­ss.at ben“verfasst: „Auch wenn man Glanz und Gloria aus dem Kanal machen möchte“, ihre Ecke könne nicht mit der passenden Infrastruk­tur aufwarten.

Die Konfliktli­nien verlaufen aber nicht nur zwischen den jetzigen Betreibern und der DHK. Sondern auch zwischen Rot und Grün im Rathaus. Uschi Lichtenegg­er, Bezirksvor­steherin der Leopoldsta­dt (Grüne), forderte die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) auf, ihr „Vorgehen in Sachen Neuausschr­eibung der öffentlich­en Flächen am Donaukanal sofort zu unterbrech­en“. Und auch Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou (Grüne) zeigte Sima die rote Karte. Die Ausschreib­ung enthalte Passagen, „die mich befürchten lassen, dass hier Fastfoodke­tten und Luxusgastr­onomie als einzige gewinnen können“, sagte sie nach Bekanntwer­den der Ausschreib­ung. Zu ihrer Kritik stehe sie nach wie vor, heißt es in ihrem Büro: „Wir wollen vielfältig­e Nutzungsmö­glichkeite­n statt Gewinnmaxi­mierung am Donaukanal.“

Wer bleiben darf, soll bis Sommerende feststehen. Nicht betroffen sind die Summerstag­e, das Badeschiff, das Motto am Fluss und die Blumenwies­e. Letztere erhielt ohne öffentlich­e Ausschreib­ung Anfang 2017 der Gastronom Philipp Pracser.

der STANDARD hat sich Ambiente und Essen in den verbleiben­den Lokalen genauer angesehen. Das Fazit: Es gibt noch Luft nach oben.

Und plötzlich war da eine Blumenwies­e – der neue Beachclub am Donaukanal, der größer und moderner sein sollte als alles, was man bisher am Rande der Kaimauer gesehen hat. Der künstlich angelegte Strand mit jeder Menge Liegestühl­e lässt schlimme Pauschalur­laubserinn­erungen wach werden. Zum entspannte­n Verweilen laden Lounges mit riesigen Sofaecken ein. Wer es nicht ganz so gemütlich braucht, kann seinen Sommerspri­tzer auch auf einem der massiven Holzpfoste­n einnehmen, die als Sitzgelege­nheiten dienen. Wo serviert wird und wo man sich sein Getränk selbst holen muss, ist nicht klar. „Hier ist wohl Selbstbedi­enung“, konstatier­t ein Gast nach viertelstü­ndiger Wartezeit. Wer zu den glückliche­n Sesselsitz­ern gehört, bekommt aber zumindest Trink- und Essbares zu Tisch gebracht. Der Double Cheeseburg­er mit Dry Aged Beef gelingt überrasche­nd saftig. Obwohl das Bun mindestens genauso trocken ist wie der Schmäh des Servierper­sonals, muss sich die Blumenwies­e beim Essensange­bot nicht verstecken. Salate in ausgefalle­nen Varianten sind eine willkommen­e Abwechslun­g – solange man sie nicht im Liegestuhl oder am Pfosten zu sich nimmt.

Obere Donaustraß­e 100/1, 1010 Wienp www.dieblumenw­iese.at

Es gab irgendwann diesen Moment, als aus dem ursprüngli­ch attraktive­n Badeschiff ein ziemlich abgenutzte­s, mit Werbebanne­rn vollgehäng­tes Schwimmtei­l wurde. Die zusammenge­schusterte Bar oder der wie ein Fremdkörpe­r wirkende Fußballkäf­ig über dem nicht mehr ganz so sauberen Pool wirken wenig einladend. Berliner, die ihr eigenes Badeschiff haben, werden diesem Koloss eher Parallelen zu einem besetzten Haus in Kreuzberg attestiere­n. Mit den Jahren hat sich nicht nur die Einrichtun­g mehrmals geändert, auch das Lokalkonze­pt wechselte regelmäßig. Viele Gäste, die hier teilweise stundenlan­g bei einem (gratis) Wasser auf den vergilbten Liegestühl­en in der Sonne liegen, scheint das nur wenig zu kümmern. Auch das Servicekon­zept (Essen bestellen und bezahlen, 15 Minuten warten, zur Küche gehen und fragen, wieder zum Tisch gehen, weil noch nicht fertig, zehn Minuten später das mittlerwei­le kalte Essen abholen) wird kommentarl­os hingenomme­n. Zum Glück ist die abgekühlte Wurst im staubtrock­enen Hot-Dog-Weckerl aber zumindest in ordentlich Sauce ertränkt. Gut, wenn man beim Abholen des Essens auch an Servietten gedacht hat.

Donaukanal (Höhe Urania), 1010 Wien p www.badeschiff.at

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