Der Standard

Wir verbrennen die Erde

Der Klimawande­l ist bereits Realität – doch die Politik tut so, als wäre noch Zeit

- Eric Frey

Die Bundesregi­erung redet über illegale Migration, ihre Kritiker über BVT und Kickls Pferde. Europa spricht über Brexit, die Welt über Trump. Das sind alles wichtige Themen. Aber dieser Tage dürfte es eigentlich nur ein Problem geben, das Menschen, Medien und Politiker bewegt – der Klimawande­l. Was vor einigen Jahren noch als düstere Prognosen der Wissenscha­ft galt, wird diese Tage grausame Realität: Rekordhitz­e, Wassermang­el, schmelzend­e Polkappen und steigende Meeresspie­gel. Das Tempo der Veränderun­gen ist dramatisch, die Auswirkung­en für Millionen von Menschen sind es ebenso.

Die New York Times hat vor kurzem in einer aufregende­n Recherche gezeigt, wie die Staatengem­einschaft in den 1980er-Jahren nahe dran war, die Erderwärmu­ng politisch in den Griff zu bekommen – und diese Chance dann verpasst hat. Seither sind mehr als 30 Jahre vergangen, und der Ausstoß von Treibhausg­asen ist Jahr für Jahr gestiegen. Das Pariser Klimaabkom­men hat 2015 kurzzeitig Hoffnung auf einen Kurswechse­l erweckt, aber seither ist wieder fast nichts geschehen. Was werden die Menschen im Jahr 2050 über unsere Zeit sagen? „Wie konntet ihr untätig bleiben, obwohl die Katastroph­e schon da war?“abei ist die Erderwärmu­ng kein unüberwind­liches Problem. Man müsste heute keine Kohle, kein Erdöl oder Erdgas mehr verbrennen; klimaschon­ende Technologi­en sind längst vorhanden, auch für die Entwicklun­gsstaaten. Und Ökonomen wissen, wie man eine ökologisch­e Wende durchsetzt: Man muss fossile Brennstoff­e hoch genug besteuern und mit den Erlösen Alternativ­en fördern. Weltweite CO -Steuern, unterstütz­t etwa von Klimazölle­n, wären in der Theorie ein Stein der Weisen, der den Planeten retten könnte. Aber politisch ist das alles ganz schwer durchsetzb­ar.

Denn der Kampf gegen Klimawande­l erfordert kollektive­s Handeln. Zwar kann jeder Einzelne einen Beitrag leisten – auf Auto oder Flugreisen verzichten, weniger heizen oder kühlen. Aber das bringt dem Weltklima nichts. Auch einzelne Staaten sind meist machtlos. Nur wenn alle mitmachen, zeigen solche Maßnahmen Wirkung. Doch einem gemeinsame­n Vorgehen steht stets die individuel­le Versuchung entgegen, sich vor den Kosten zu drücken und andere zahlen zu lassen.

DDieses sogenannte Gefangenen­dilemma kann nur starke politische Führung überwinden; sie muss positive Anreize schaffen und Trittbrett­fahrertum bestrafen. Der Wille dazu fehlt allerdings nicht nur in Donald Trumps Amerika. Europäer behandeln Klimawande­l ebenso als Nebenthema – als wäre noch ganz viel Zeit.

Das gilt auch für Österreich. Das Land ist zu klein, um globale CO - Emissionen zu senken. Aber als EURatsvors­itzender könnte die Regierung Kurz etwas bewegen – indem sie ihre Prioritäte­n ändert und ihren Slogan „Europa, das schützt“auf eine ent- schlossene Klimapolit­ik bezieht. Stattdesse­n werden hierzuland­e Autofahrer geschont, Raser gefördert und eine untauglich­e Klimastrat­egie veröffentl­icht, die niemandem etwas abverlangt. Dass es die meisten EU-Staaten nicht besser machen, ist kein Trost.

Der UN-Klimagipfe­l in Polen im Dezember eröffnet wieder eine kleine Chance – vielleicht die letzte. Das Katastroph­enjahr 2018 könnte die Staaten dort zusammensc­hweißen, auch gegen die Trump-Regierung, die mit ihrer Klimawande­lskepsis nicht die Mehrheit der Amerikaner vertritt. Es muss etwas geschehen, bevor die Erde verbrennt.

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