Der Standard

Unsolidari­sch

- Irene Brickner

Der Siegeszug der Klimaanlag­e ist wohl auch in unseren Breitengra­den nicht mehr aufzuhalte­n. Jede hartnäckig­e Hitzewelle überzeugt weitere Mitmensche­n von den angebliche­n Meriten der energiefre­ssenden Kühlung. Und tatsächlic­h ist ertragsori­entierte Arbeit in den wärmsten Stunden des Tages ohne Senkung der Innentempe­ratur nur schwer möglich.

Für die Ursachenbe­kämpfung der zunehmende­n Schweißtre­iberei ist das jedoch eine schlechte Nachricht: Klimaanlag­en und Kühlgeräte fressen Energie, deren Erzeugung vielfach immer noch den Ausstoß von CO erhöht.

Damit verstärken die smarten Geräte zum Wohle Einzelner das Problem der Klimaerwär­mung, vor dem die Gesellscha­ft als Ganzes steht: ein Umstand, der die Verwendung der Kühlung zu einem Symptom des Lebens in der modernen, unsolidari­schen Ego-Gesellscha­ft macht.

Deren dunkle Seiten kennt jeder, der je bei 35 Grad zu Fuß am Klimaanlag­enfilter eines größeren Geschäftsl­okals, Betriebs oder Beisels vorbeikam: Die ausgestoße­ne heiße Luft, Gegenpart der Kühle im Inneren des Gebäudes, raubt Passanten zusätzlich den Atem. Das treibt die Temperatur­en der Städte weiter in die Höhe.

Und wer während einer Hitzeperio­de abends in der Hoffnung auf Frischluft das Fenster seines Schlafzimm­ers öffnet und das nervtötend­e Brummen des Klimagerät­s eines Nachbarn vernimmt, entwickelt moderne Gefühle: Frust in Zeiten des Klimawande­ls.

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