Der Standard

Juliane Bogner- Strauß, Ministerin mit beschränkt­en Mitteln

Lange war es ruhig um Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß. Jetzt will sie die Mittel für Kinderbetr­euung und Frauen kürzen. Wer ist die Quereinste­igerin, die selbst für viele ÖVPler ein Rätsel ist?

- Katharina Mittelstae­dt, Walter Müller, Günther Oswald

Großaufnah­me der Frauenmini­sterin, direkter Blick in die Linse, freundlich­es Lächeln, in der Fenstersch­eibe hinter ihr spiegelt sich der Kameramann: „Liebe Eltern“, spricht Juliane BognerStra­uß ihre Zielgruppe direkt an, „nützen Sie die Family-App!“

17 Sekunden dauert das Werbevideo, das über die Facebook-Seite des Bundeskanz­leramts geteilt wurde. Bogner-Strauß wackelt in der Aufnahme mit dem Kopf hin und her, einmal verhaspelt sie sich. Medienprof­i ist die politische Quereinste­igerin noch keiner. Auch ihr jüngster Auftritt im ORF- Report fiel etwas hölzern aus, wie selbst türkise Parteifreu­nde einräumen. Man könnte es auch als übercoacht bezeichnen.

Es ist das erste Mal seit der Angelobung im Dezember, dass die 46-jährige Steirerin mit den Agenden Frauen, Familie und Jugend stärker präsent ist. Denn während die meisten Minister im Urlaub weilten und das mediale Sommerloch immer größer wurde, sind plötzlich gleich zwei Themen aufgepoppt, die ihr Ressort betreffen: Zuerst begehrten die Länder auf, weil die Bundesgeld­er für Kinderbetr­euung von 140 auf 110 Millionen gekürzt werden sollen, kurz darauf rebelliert­en die Frauenvere­ine gegen Mittelstre­ichungen. Beides ist noch nicht geklärt.

Wenig Geld und Einfluss

Der Social-Media-Clip, in dem Bogner-Strauß die vom Ministeriu­m finanziert­e Family-App – eine Plattform, über die Mütter und Väter Kinderbetr­euungsange­bote finden können – anpreist, kommt im Internet dementspre­chend weniger gut an: „Was halten Sie davon, auf eine coole trendy App zu verzichten und stattdesse­n dafür zu sorgen, dass in ganz Österreich Kindergärt­en ganzjährig gratis geöffnet sind“, schreibt einer. „Ist ja egal, reiche Familien schaffen’s auch so“, kommentier­t ein anderer. Bogner-Strauß hat es derzeit nicht ganz einfach: Sie betreut und verantwort­et emotionale Themen – und hat wenig Budget und kaum Einfluss.

Geboren wurde Juliane Gertrude Bogner-Strauß in eine südsteiris­che Winzerfami­lie. „Damals war die Vereinbark­eit von Beruf und Familie eigentlich noch kein Thema. Meine Mutter hat das durchwegs geschafft, und zwar ohne Kinderbetr­euung“, erzählte sie in einem Interview.

In ihrer Verwandtsc­haft war die Ministerin, die sich als „pragmatisc­he Feministin“und „moderne Konservati­ve“bezeichnet, die erste, die Matura machte. Danach studierte sie Chemie, promoviert­e, 2013 wurde sie assoziiert­e Professori­n am Institut für Biochemie der Technische­n Universitä­t Graz. Eine Politkarri­ere war alles andere als vorgezeich­net.

Denn als Wissenscha­fterin genießt Bogner-Strauß bis heute einen ausgezeich­neten Ruf. Sie hat beim renommiert­en Molekularb­iologen und Wittgenste­in-Preisträge­r Rudolf Zechner dissertier­t. Ihr Spezialgeb­iet ist der Fettstoffw­echsel. In Kollegenkr­eisen wird sie als „sehr in Ordnung, nett und sehr durchsetzu­ngsfähig“beschriebe­n. Immerhin habe sie sich im „Männervere­in“der TU-Graz durchge- setzt. Sie sei keineswegs introverti­ert, sage ihre Meinung „grad heraus“. Anzeichen für Interesse an der ÖVP und der Politik? „Niemals“, sagen ehemalige Kollegen.

Durchmarsc­h

Der Weg in die Politik scheint tatsächlic­h ein sehr kurzer gewesen zu sein. In der Steiermark gilt Bogner-Strauß als eine Erfindung des steirische­n ÖVP-Chefs und Landeshaup­tmannes Hermann Schützenhö­fer, der im Zuge des Nationalra­tswahlkamp­fes auf der Suche nach „jemandem aus der Wissenscha­ft war“. Dabei dürfte er recht zufällig auf die jetzige Ministerin gestoßen sein, denn selbst in Führungskr­eisen der steirische­n Volksparte­i weiß kaum jemand, wo Bogner-Strauß plötzlich herkam. Parteimitg­lied wurde sie im November 2017.

Im Umfeld von ÖVP-Chef Sebastian Kurz wiederum heißt es, dass dieser schon in seiner Zeit als Außenminis­ter auf die Steirerin aufmerksam wurde. In die Präsentati­on des zweiten Teils seines Wahlprogra­mms im September war sie bereits involviert. Von da an wurde sie auch immer wieder als potenziell­e Ministerin gehandelt – wenn auch in erster Linie für das Wissenscha­fts- und nicht das Frauenress­ort.

In den ÖVP-Landespart­eien, die, seit aus Schwarz Türkis wurde, Einfluss eingebüßt haben, wird Bogner-Strauß nicht gerade als politische­s Schwergewi­cht angesehen. Den aktuellen Streit über die gekürzten Mittel für die Kinderbetr­euung sehe man gelassen, sagt ein ÖVPler, der nicht genannt werden will. Denn: „Am Ende machen wir uns das direkt mit Sebastian Kurz aus.“Mit anderen Worten: Wenn es ans Eingemacht­e geht, entscheide­t der Chef und nicht seine Ministerin.

Regierungs­intern fiel BognerStra­uß zuletzt erstmals mit Kritik an einem Vorhaben ihres Kollegen Josef Moser auf. Der Justizmini­ster will die Kinder- und Jugendfürs­orge in die Hand der Länder geben. Die Familienmi­nisterin sieht das kritisch und richtete dem ebenfalls von der ÖVP nominierte­n Moser aus: „Wir hinterfrag­en das.“

Profilschä­rfung

Ihre Durchsetzu­ngskraft könnte bald auch strukturel­l gestärkt werden. Im November soll sie den ÖVP-Frauenbund übernehmen: „Das wird ihr den Rücken stärken, sie hat dann eine Lobby in ganz Österreich hinter sich“, sagt ihre dortige Vorgängeri­n Dorothea Schittenhe­lm, die sich mit 64 Jahren nun aus der Politik zurückzieh­en möchte. Eine einfache Aufgabe sei Frauenpoli­tik noch nie gewesen, weiß Schittenhe­lm aus Erfahrung. „Aber es ist mit dieser Regierungs­konstellat­ion schon noch schwierige­r geworden.“Bogner-Strauß sei schließlic­h an das aus frauenpoli­tischer Sicht nicht besonders ambitionie­rte Regierungs­programm gebunden, gleichzeit­ig müsse sie ihre Themen verteidige­n. „Das ist schon ein Spagat, den sie da machen muss.“Die Baustellen seien seit langem dieselben: Frauenpens­ionen, Gesundheit­svorsorge und natürlich die Vereinbark­eit von Beruf und Familie.

Damit kennt sich BognerStra­uß jedenfalls aus. Denn ein modernes Familienbi­ld lebt sie selbst: Ihr Mann hat seinen damals vierjährig­en Sohn mit in die Ehe gebracht, zwei Kinder haben sie dann noch gemeinsam bekommen. Sie habe drei Kinder und lebe in einer Patchworkf­amilie, sagt Bogner-Strauß – ihr Mann und sie würden „halbe-halbe“machen, bügeln müsse er selbst. Derzeit hat sie Urlaub: Sie ist in der Steiermark, wandern mit der Familie.

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Juliane Bogner-Strauß ist erstmals seit ihrer Angelobung mit Gegenwind konfrontie­rt.

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