Der Standard

Mehr Seezugang als Staatsziel

Kärntens größter und attraktivs­ter See, der Wörthersee, gilt als abschrecke­ndes Beispiel: dicht verbaut und für die Bevölkerun­g kaum noch zugänglich. Der Bodensee ist frei, der schilfbewe­hrte Neusiedler See soll nun folgen.

- Jutta Berger, Walter Müller, Wolfgang Weisgram

Freudestra­hlend steht ein Grüppchen, darunter Landeshaup­tmann Peter Kaiser (SPÖ) und der örtliche ÖVP-Bürgermeis­ter und ÖVP-Landesrat Martin Gruber, auf einer Uferböschu­ng des Wörthersee­s.

Sie feiern mit einem Rettungsri­ng in Händen die Eröffnung eines weiteren freien Zugangs zum Wörthersee. Viel ist es nicht, ein schmaler Durchlass, ein Schlurf sozusagen.

Aber immerhin. Auch der Wörthersee ist ja seit Jahren durch die intensive private Bebauung kaum noch zugänglich. Knapp 80 Prozent des Seeufers samt davorliege­ndem Grund sind in Privatbesi­tz und mit Bäumen, Sträuchern oder Mauern abgeschirm­t.

Mittlerwei­le haben sich Hausund Villenbesi­tzer recht skurrile Zugänge zum See geschaffen: mittels eigener Lifte oder Brücken über die Seestraße.

Wer sich jedenfalls an heißen Tagen wie diesen abkühlen möchte, bucht sich entweder ein Zim- mer in einem Hotel, lässt sich von einem Betuchten mit Privatstra­nd einladen oder mischt sich in eines der überfüllte­n öffentlich­en Bäder. Die Seezugangs­problemati­k wird zwar an so ziemlich allen österreich­ischen Seen beklagt, der Wörtersee ist aber ohne Zweifel das wohl krasseste Beispiel für eine verabsäumt­e Grundstück­sbevorratu­ng der öffentlich­en Hand.

Nun versucht die Landesregi­erung im Verein mit den Bundesfors­ten, dem Städte- und Gemeindebu­nd und den örtlichen Bürgermeis­tern zumindest auf den verblieben­en öffentlich­en Arealen kleine Zugänge zum Wasser zu schaffen. 17 sind es mittlerwei­le im Bundesland. Auf einer eigenen Homepage der Landesregi­erung (www.ktn.gv.at) sind alle freien Seezugänge in einer digitalen Seelandkar­te aufgeliste­t.

Initiativ wurde jetzt auch das Burgenland. Landeshaup­tmann Hans Niessl und Landesräti­n Astrid Eisenkopf (beide SPÖ) wollen den Neusiedler See und sein Schilf gar per Verfassung vorm privaten Zugriff und solcherart vor Kärntner Zuständen schützen. „Der Neusiedler See“, sagt Eisenkopf, „darf nicht der Wörthersee werden.“

Seezugang als Staatsziel

Hans Niessl hat den burgenländ­ischen Verfassung­sdienst schon beauftragt, juristisch zu überlegen, wie der freie Zugang „nicht nur zum Neusiedler See, sondern zu allen burgenländ­ischen Seen möglichst weitgehend sichergest­ellt werden kann“. Die Richtschnu­r für so eine „Staatsziel­bestimmung“müssten die Vorgaben der Unesco sein, die die gesamte Seeregion ja unter Welterbesc­hutz gestellt hat.

Zuletzt ist die Bautätigke­it am Neusiedler See einigermaß­en ins Gerede gekommen. Zahlreiche neue Projekte nährten die Befürchtun­g einer zunehmende­n Privatisie­rung der öffentlich­en Seebäder. Die Projekte gänzlich zu stoppen sei weder möglich noch sinnreich. Sie beruhen auf alten Widmungen, ein Widerruf sei aus rechtliche­n Gründen nicht möglich. Aber, so Niessl: „Alle Projekte müssen jedenfalls umweltvert­räglich sein und den Unesco-Vorgaben entspreche­n.“Da müsse man ganz sensibel sein.

Ein „Masterplan“werde festschrei­ben, „wie es hier in fünf, zehn, 20 Jahren aussieht“. Astrid Eisenkopf bemüht sich, die Balance zu halten zwischen „Nützen und Schützen“. Immerhin anderthalb Millionen Nächtigung­en und eine Million Tagesgäste beleben die Region wirtschaft­lich.

Eine Bürgerbefr­agung ergab nun auch, dass 75 Prozent sich „für den Erhalt oder die Schaffung des öffentlich­en Seezugangs ausgesproc­hen haben“. 83 Prozent wollen den „unverbaute­n Blick auf das Naturjuwel“, sagt Astrid Eisenkopf.

Der Neusiedler-See-Masterplan gilt dann freilich nur für den österreich­ischen Teil. Im einzigen Seebad auf ungarische­r Seite – in Fertőrákos/Kroisbach – plant man Gigantisch­es. Auf den Ruinen der im Vorjahr einem Großbrand zum Opfer gefallenen Seehütten will man einen mondänen Yachthafen, eine schöne Strandprom­enade und ein luxuriöses Hotel errichten. Kolportier­te Investitio­nssumme: 70 Millionen Euro. Für Mitte August wurden nähere Infos in Aussicht gestellt.

Vorarlberg ist anders

Szenenwech­sel in den Westen: Der freie Zugang zum Bodensee ist am österreich­ischen Ufer bereits seit den 1950er-Jahren garantiert. Der Uferbereic­h gehört, was die Nutzung betrifft, allen. Geregelt ist der freie Zugang durch das Vorarlberg­er Straßenges­etz, das die „Wegefreihe­it am Bodenseeuf­er“festschrei­bt. Ein zehn Meter breiter Uferstreif­en muss frei zugänglich sein, Zäune oder andere Absperrung­en dürfen nicht errichtet werden. Ausnahmen sind Naturschut­zgebiete, Strandbäde­r oder die Seebühne.

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In so ziemlich allen „See“-Bundesländ­ern stellt sich die drängende Frage: Sind Österreich­s Gewässer nur noch privates oder doch öffentlich­es Gut?

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