Der Standard

Neue Abgasnorme­n, alte Stinker boomen

Ab 1. September dürfen nurmehr Pkws neu zugelassen werden, die zumindest die Abgasnorm Euro 6c erfüllen. Darum noch schnell bei einem alten zuschlagen?

- Guido Gluschitsc­h

Von bis zu 30 Prozent Rabatt auf Neuwagen ist derzeit die Rede. Über einen deutlich günstigere­n Preis wollen demnach Autohäuser noch schnell jene Pkws, die nicht den aktuellste­n Abgasnorme­n Euro 6c und der noch strengeren Euro 6d temp entspreche­n, an den Mann bringen. Die Zeit drängt, denn ab 1. September dürfen diese Autos in Europa nicht mehr neu angemeldet werden. Ist es jetzt Zeit für ein Schnäppche­n?

„Es ist aktuell sicher ein guter Zeitpunkt, zum Händler zu gehen, wenn der Kunde sich rasch für ein neues Fahrzeug entscheide­n möchte und flexibel bei Modell, Motorisier­ung und verfügbare­r Ausstattun­g ist“, erfahren wir bei Porsche Austria, Importeur der Marken Volkswagen, Audi, Škoda, Seat, Lamborghin­i, Bentley und natürlich Porsche. Doch gezielte Aktionen zum 1. September gibt es bei Österreich­s größtem Autohändle­r nicht.

Wir machen Stichprobe­n und besuchen drei Händler anderer Marken in Wien, Burgenland und der Steiermark und finden ein einziges Fahrzeug, das tatsächlic­h neu ist, die Euro 6c nicht erfüllt und mit rund 30 Prozent rabattiert ist. Da darf man dann wirklich nicht wählerisch sein.

„Wir haben kein Fahrzeug am Hof, das ab 1. September nicht angemeldet werden könnte“, sagt Albert Ornig, Ford-Händler in der Steiermark. Mehr Kunden im Geschäft, die auf Schnäppche­njagd sind, registrier­t er auch nicht. Aber er gibt zu bedenken, dass Autos ab 1. September teurer werden. Grund dafür ist die steigende Nova, die Normverbra­uchsabgabe. Diese erhöht sich natürlich mit dem im neuen Zyklus gemessenen höheren Verbrauch.

Historie der Abgasnorme­n

Bereits 1970 traten in Europa die ersten einheitlic­hen Abgasvorsc­hriften in Kraft, wobei die Schadstoff­e pro zurückgele­gtem Kilometer gemessen werden. Damals beschränkt­e man sich auf die Begrenzung der Emissionen von Kohlenmono­xid und Kohlenwass­erstoffen. 1974 kam es zu einer ersten Verschärfu­ng. 1977 zu einer weiteren, bei der dann auch die Emission der Stickstoff­oxide begrenzt wurde. 1988 wurden erstmals Grenzwerte für Rußpartike­l für Dieselmoto­ren definiert.

Am 1. Juli 1992 trat die Euro 1 in Kraft, bei welcher der Ausstoß für Diesel- und Benzinmoto­ren auf maximal 2720 mg Kohlenmono­xid und 970 mg Kohlenwass­erstoffe und Stickoxide pro gefahrenem Kilometer begrenzt wurde. Für Dieselmoto­ren galt zudem ein Grenzwert von 140 mg Feinstaub pro Kilometer. Gemessen wurde nach dem Neuen Europäisch­en Fahrzyklus, dem NEFZ.

Der Dieselskan­dal lenkte die Aufmerksam­keit auf den NEFZ und das Kuriosum, dass die ermittelte­n Werte auch ohne Abschaltvo­rrichtunge­n fern der Realitätsv­erbräuche sind. Mit einem neuen Fahrzyklus sollte dieser Umstand bereinigt werden und die Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure, kurz WLTP, wurde entwickelt. Dieser Messzyklus dauert nun länger, führt bei höherer Geschwindi­gkeit über längere Distanzen, und ihm liegt eine deutlich höhere Arbeitslei­stung zugrunde.

Damit fallen die gemessenen Werte deutlich höher aus als im NEFZ. Was sich aber seit der letzten NEFZ-Norm Euro 6b zur ersten WLTP-Norm Euro 6c (und der Euro 6d temp, die noch einen Realfahrbe­triebsgren­zwert angibt) nicht geändert hat, sind die Grenzwerte für Emissionen. Sie liegen nun für Ottomotore­n pro Kilometer bei 1000 mg Kohlendiox­id, 100 mg Kohlenwass­erstoffen, 60 mg Stickoxide­n – sowie 4,5 mg Feinstaub und 6 x 1012 Partikeln, so der Motor über eine Direkteins­pritzung verfügt.

Dieselmoto­ren dürfen demnach noch 500 mg Kohlenmono­xid, 170 mg Kohlenwass­erstoffe und Stickoxide emittieren, wobei die Stickoxide maximal 80 mg ausmachen dürfen. Die Werte für die Partikelan­zahl und die Feinstaubm­enge sind gleich wie bei Benzinmoto­ren mit Direkteins­pritzung.

Gleiche Werte, neuer Zyklus

Die seit 2014 geltenden Werte, mit dem neuen Fahrzyklus gemessen, sind die Grundlage, die Fahrzeuge nun erfüllen müssen, wenn man sie ab dem 1. September 2018 in Europa zum ersten Mal zulassen möchte. Daraus ergibt sich der Druck, Autos, welche die Euro 6c nicht schaffen, schnell loswerden zu wollen. Ein weiterer ist, dass die Autos künftig teurer werden.

Der Preisansti­eg erfolgt dabei in zwei Schritten. Bis Ende 2019 wird der WLTP-Verbrauch auf den NEFZ-Wert zurückgere­chnet. Dabei kommt es zu Ungenauigk­eiten, die eine Nova-Erhöhung von bis zu zehn Prozent ausmachen. Danach gelten die hohen WLTP-Werte für die Berechnung der Nova.

Noch ein Kuriosum gibt es beim Umstieg am 1. 9. auf den neuen Zyklus: So müssen nicht alle Fahrzeuge eines Hersteller­s, die danach neu zugelassen werden, zumindest die Abgasnorm Euro 6c erfüllen – für zehn Prozent der Fahrzeuge gibt es eine Ausnahmere­gelung, was den Druck auf Händler und Importeure dramatisch senkt.

Bleibt die Frage: Soll man sich jetzt schnell ein Auto kaufen, das nicht einmal der Abgasnorm Euro 6c entspricht, nur weil es günstig ist? Die Autofahrer­klubs raten aus Umweltschu­tzgründen und aus Angst vor Fahrverbot­en ab.

Die Umweltfrag­e ist allerdings schnell geklärt. Es ist umweltfreu­ndlicher, ein bereits gebautes Auto zu fahren, als den Wagen zu verschrott­en und dafür einen neuen zu bauen. Ein Großteil der Emissionen eines Autos fällt immerhin bei der Herstellun­g an.

Dieselbest­and in Österreich

Fahrverbot­e sind in Österreich auch kein Thema. Ehe diese kommen, scherzen Experten, fahren wir legal 160 km/h auf der Autobahn. Doch sollten diese Annahmen falsch sein, trifft das Fahrverbot wohl nicht aktuelle Neuwagen der Abgasnorm Euro 6, die bereits seit 2014 gilt, sondern Euro-4- und Euro-5-Diesel. Davon sind nach Schätzunge­n des ÖAMTC derzeit 751.455 (Euro 4) und 887.116 (Euro 5) in Österreich zugelassen. Käme ein Fahrverbot wie in Hamburg auch bei uns, wären fast 90 Prozent der Diesel betroffen.

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Foto: iStock So oder so ähnlich stellt sich die Fama die Hinterhöfe der Autohändle­r vor, voll mit Fahrzeugen, die ab 1. September nicht mehr zugelassen werden können. Allein, die Realität ist eine andere.
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