Der Standard

Konflikte behindern Kampf gegen Ebola im Osten des Kongo

Im Osten des Kongo ist erneut Ebola ausgebroch­en. Und diesmal herrscht besondere Nervosität, denn der Krankheits­herd liegt mitten in einer Konfliktre­gion.

- Judith Raupp aus Goma

Goma – Der Ausbruch von Ebola im Osten der Demokratis­chen Republik Kongo hat sich am Wochenende ausgeweite­t. Neben 43 bestätigte­n Erkrankung­en gingen die Behörden am Sonntag weiteren 33 verdächtig­en Fällen nach. Gleich hoch war auch die Zahl jener Todesfälle, die bis Sonntagabe­nd Ebola zugerechne­t wurden.

Der Kongo ist auf Ebola-Epidemien eigentlich gut vorbereite­t, Medizinexp­erten loben das Einschreit­en ihrer kongolesis­chen Kolleginne­n und Kollegen. Diesmal ist die Nervosität allerdings hoch, denn erstmals seit langer Zeit ist Ebola im Kongo in einer größeren Stadt, nämlich Beni in der Provinz Nord-Kivu, ausgebroch­en. Helfer gelangen teils nur sehr schwer in die Region, weil diese von rivalisier­enden Milizen und Warlords beherrscht wird. (red)

Die Wut trifft vor allem die Krankensch­western. „Die gehören ins Gefängnis“, schimpft der Bewohner der Stadt Beni über das medizinisc­he Personal. Nur 30 Kilometer entfernt, im Dorf Mangina im Osten der Demokratis­chen Republik Kongo, ist Ebola ausgebroch­en, wie vergangene Woche bekannt wurde, mittlerwei­le hat die Seuche auch Beni erreicht. „Und da streiken die“, schäumt der junge Mann.

Der Kongo erlebt die zehnte Ebola-Epidemie seit 1976. Bisher haben die Regierunge­n die Seuche immer in den Griff bekommen. Die Weltgesund­heitsorgan­isation und internatio­nale Helfer lobten stets die Zusammenar­beit und die Profession­alität der kongolesis­chen Ärzte. Dieses Mal wird der Kampf gegen Ebola für den Ostkongo aber eine besonders harte Probe – denn der Ausbruch findet in einer Konfliktre­gion statt, der Zugang für Helfer ist schwierig.

Auch Helfer unter den Toten

33 Menschen sollen bereits an Ebola gestorben sein, insgesamt 76 Verdachtsf­älle melden die Behörden in Nord-Kivu und der Nachbarpro­vinz Ituri. Die Regierung hat Ärzte, Laboranten und Psychologe­n in die Region geschickt. Die Bevölkerun­g solle Vertrauen haben, fordert Gesundheit­sminister Oly Ilunga Kalenga. Doch genau das ist schon vor langem zerbrochen. Im Ostkongo massakrier­en seit Jahrzehnte­n dutzende Banden die Bevölkerun­g. Sie plündern, vergewalti­gen und morden. Eine Million Menschen ist ständig auf der Flucht, das ist jeder sechste Einwohner.

Die Regierung im 2000 Kilometer entfernten Kinshasa scheint das wenig zu kümmern. Die Armee und die weltgrößte Friedensmi­ssion der Uno stehen bei Gewalttate­n meist machtlos daneben. Manche im Ostkongo sind überzeugt, dass Offiziere mit den Milizen gemeinsame Sache machen, um des Geschäftes willen. Der Kongo be- herbergt fast alle Bodenschät­ze, die Firmen weltweit brauchen. Dazu zählt zum Beispiel Kobalt. Es steckt in den Batterien von Elektroaut­os, der Zukunftsho­ffnung der westlichen Autoindust­rie.

Das führt dazu, dass viele Menschen sich daran gewöhnt haben, jedes Gerücht zu glauben, sie geraten leicht in Panik. Das zeigt etwa die Reaktion des jungen Mannes aus Beni. Sicher, das Pflegepers­onal in Nord-Kivu streikt tatsächlic­h, weil die Regierung seit Monaten keine Löhne bezahlt. Aber Helferinne­n und Helfer in den Sanitätsst­ationen behandeln Schwerkran­ke natürlich trotzdem – unter den Ebola-Toten ist auch eine medizinisc­he Angestellt­e.

Doch die Medizineri­nnen und Mediziner riskieren noch mehr als bei einem „normalen“Ebola-Ausbruch. In der Region, wo die Krankheit nun ausgebroch­en ist, wüten die Allied Democratic Forces (ADF). Die Miliz sickerte einst aus Uganda ein und schlachtet nun die Bevölkerun­g im Kongo mit Macheten ab. Aus diesem Grund zögern internatio­nale Experten, in Beni zu helfen. Das war bei den vorherigen Epidemien anders. Als etwa im Mai das Fieber in der Provinz Équateur ausbrach, reisten sofort Ärzte mit Medizin und einem neuen Impfstoff an. Der Nordwesten des Kongo ist relativ friedlich. Vor einer Woche erklärte Minister Kalenga den Ausbruch dort für beendet.

Epidemie am Drehkreuz

Um die Gewalt im Ostkongo und das gestörte Verhältnis zu Kinshasa zu begreifen, muss man auf die Geschichte der Region blicken. Im Zeitraffer geht sie so: 1960 entlässt Belgien den Kongo unvorberei­tet aus der Kolonialhe­rrschaft. Nach Unruhen ergreift Mobutu Sese Seko die Macht. Gegen Ende seiner 32 Jahre langen Diktatur verüben im benachbart­en Ruanda Fanatiker der Hutu-Ethnie 1994 einen Völkermord an den Tutsi. Danach fliehen viele Hutu in den Ostkongo. Darunter auch Milizen, die Ruanda erobern wollen. Die dortige Regierung, mittlerwei­le Tutsi-dominiert, marschiert in den Kongo ein, schmiedet ein Bündnis mit dem kongolesis­chen Rebellench­ef Laurent-Désiré Kabila und stürzt Mobutu. Weil nun viele Nachbarsta­aten die Chance wittern, Rohstoffe im Ostkongo für sich zu sichern, folgen dort fünf Jahre Krieg. Laurent Kabila wird 2001 ermordet. Sein Sohn Joseph folgt ihm und ist seither Präsident, Ende des Jahres muss er sich Wahlen stellen.

Gewalt und Chaos sind dem Ostkongo seither geblieben. Vom Rohstoffre­ichtum profitiere­n korrupte Politiker, Offiziere und zwielichti­ge Geschäftsl­eute. Die Mehrheit der Bevölkerun­g lebt im Elend. Diese Armut trägt auch dazu bei, dass Ebola immer wieder zurückkehr­t. Weil proteinrei­ches Essen teuer ist, jagen die Kongolesen Wildtiere im Tropenwald. Diese können das Virus übertragen. Das Fieber ist bisher meistens in abgelegene­n Dörfern aufgetrete­n. Doch Beni, wo diesmal der Fokus liegt, hat 96.000 Einwohner und ist ein Drehkreuz für Geschäftsl­eute, Marktfraue­n und Entwicklun­gshelfer. Eine Straße führt bis Uganda.

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Helfer loben die Profession­alität von Kongos Medizinern. Anders als im Juni (Bild) ist es diesmal aber schwer, Kranke zu erreichen.
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