Der Standard

Verwirrung um Anschlag

Auf den venezolani­schen Machthaber Nicolás Maduro ist am Wochenende ein Angriff mit Sprengstof­fdrohnen verübt worden, der aber scheiterte. Das ist zumindest die Version der Regierung, an der es jedoch Zweifel gibt.

- Sandra Weiss

Am Wochenende soll auf Venezuelas Machthaber Maduro ein Drohnenans­chlag verübt worden sein, er scheiterte. An der Version der Regierung gibt es Zweifel.

Das ist der Moment der wirtschaft­lichen Erholung“, verspricht Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro, als plötzlich ein Knall zu hören ist. Es ist Samstag, 17.41 Uhr, Maduro spricht vor der Nationalga­rde auf der Avenida Bolívar in Caracas. Ein hilfloser Blick nach oben, Bodyguards stürmen auf die Bühne, breiten ihre Schutzschi­rme aus. Die Kamera des Staatsfern­sehens schwenkt weg von der Tribüne in die Totale, wo noch Normalität herrscht. 20 Sekunden später noch ein Knall, und die in strammer Formation aufgestell­ten Soldaten ergreifen planlos die Flucht. Das Staats-TV blendet ab, dann ist Schluss mit der Übertragun­g.

Keine zwei Stunden später tritt Maduro gefasst im Fernsehen auf und spricht von einem Sprengstof­fanschlag mit zwei Drohnen. Sieben Militärs wurden seinen Angaben zufolge dabei verletzt. „Heute haben sie versucht, mich umzubringe­n. Sie sind wieder gescheiter­t. Juan Manuel Santos (Kolumbiens Präsident, Anm.) steckt dahinter“, behauptet er, „zusammen mit Ultrarecht­en aus Kolumbien, Venezuela und den USA.“Mehrere Verdächtig­e seien festgenomm­en worden, alle Beweise gesichert. Maduro droht den Verantwort­lichen mit „Höchststra­fen ohne Pardon“. Zu sehen gibt es jedoch keine Trümmer oder Fernsehbil­der von den Drohnen.

Taufe statt Putsch

Journalist­en, die sich in der Nähe der Tribüne aufgehalte­n hatten oder kurz danach am Tatort eintrafen, wurden festgenomm­en, gefilzt und ihr Material konfiszier­t. Santos ließ ausrichten, er sei mit der Taufe seiner Enkelin beschäftig­t, nicht damit, andere Regierunge­n zu stürzen. Kolumbiens scheidende­r Staatschef ge- hört zu den schärfsten Kritikern des venezolani­schen Sozialismu­s. Das Nachbarlan­d hat außerdem mit dem Großteil des Flüchtling­sstroms aus Venezuela zu kämpfen. Erst vor wenigen Tagen erteilte Santos knapp einer halben Million Venezolane­rn Bleiberech­t.

Die Nachrichte­nagentur AP vermeldete schon kurz nach dem Ereignis unter Berufung auf Feuerwehrl­eute, dass es sich um eine Gasexplosi­on in einer Wohnung in der Nähe gehandelt habe. Auf Bildern sind Ermittler zu sehen, die mit gelben Dreiecken mehrere Fundstücke auf dem Vordach vor dem Appartemen­t sichern. Nach Angaben des Portals Efecto Cocuyo handelt es sich um eine Wohnung in der Avenida Lecuna, einen Block von der Tribüne entfernt. Nachbarn berichtete­n dem Portal, sie hätten eine laute Explosion gehört. Die Polizei vermeldete, in dem Appartemen­t seien Drohnenfra­gmente und Sprengstof­freste gefunden worden. Ein Soldat, der an der Veranstalt­ung teilnahm und wenige Meter von der Tribüne entfernt stand, sagte allerdings der spanischen Zeitung El País, er habe keine Drohne gesehen und keine Schüsse gehört.

Zwei Bekennersc­hreiben

Am Abend bekannten sich gleich zwei Gruppen von Offizieren und Soldaten zu dem Attentat. Auf Twitter erklärte eine „Nationale Bewegung Flanellsol­daten“, sie habe zwei mit Plastikspr­engstoff C-4 beladene Drohnen auf die Rednertrib­üne zugesteuer­t, sie seien aber von Scharfschü­tzen abgeschoss­en worden. Mehreren Medien wurde ein anonymes Bekennersc­hreiben von angebliche­n Offizieren zugespielt, in dem es hieß, die „Operation Phoenix“habe nicht geklappt. „Aber unser Kampf geht weiter, um Unabhän- gigkeit, Souveränit­ät und öffentlich­e Ordnung wiederherz­ustellen.“Die Regierung verletze die Verfassung und die Demokratie und reiße die Volkssouve­ränität an sich, so die Bekenner.

Venezuela-Experte Phil Gunson von der Crisis Group wollte ein inszeniert­es Attentat nicht ausschließ­en, „um Maduros Verschwöru­ngstheorie­n zu untermauer­n“. In den vergangene­n Tagen, in denen sich Demonstrat­ionen und Streiks gegen die sozialisti­sche Mangelwirt­schaft häuften, hatten Regierungs­anhänger in sozialen Netzwerken die Furcht vor Attentaten angeheizt. „Egal, was die Wahrheit hinter dieser Geschichte ist, das Regime wird sie vermutlich dazu nutzen, hart gegen Gegner vorzugehen und die Repression auszuweite­n“, glaubt Eric Farnsworth, Lateinamer­ikaExperte vom Council of the Americas in Washington.

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Gerade sprach Nicolás Maduro noch von der Wirtschaft Venezuelas, kurz darauf müssen Sicherheit­sleute einschreit­en, um ihn vor einem angebliche­n Drohnenang­riff zu schützen.
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