Der Standard

Verschnupf­ter Seehofer fühlt sich missversta­nden

CSU-Chef sieht im ARD- Sommergesp­räch keine „inakzeptab­le Rhetorik“seinerseit­s

- Cornelie Barthelme aus Berlin

Hoakl iss er worn“, sagt man in Bayern, wenn einer so ist wie Horst Seehofer gerade. Heikel also auf hochdeutsc­h – und übersetzt: empfindlic­h. Und ja, der CSU-Vorsitzend­e und Bundesinne­nminister dürfte sich nicht beschweren über dieses Urteil. Konjunktiv – weil er sich ja häufig und bitter beklagt seit seinem Wechsel aus München nach Berlin. Das jüngste Lamento sendet am Sonntagabe­nd die ARD in die Republik. Es ist kein neues, sondern die aktuelle Version einer Seehofer’schen Dauer-Klage: Es wird ihm Unrecht getan.

So hat die Deutschlan­d Seehofer in der heißesten Phase des heißen Streits um die Asylpoliti­k zwischen ihm und Bundeskanz­lerin Angela Merkel so verstanden, dass er sich ihrer Richtlinie­nkompetenz nicht fügen wolle. Nein, nein, sagt Seehofer nun, die müsse man „als Regierungs­mitglied immer“akzeptiere­n. Wieso es dann alle Zeitungen anders mel- deten, alle Sender anders sendeten? „Ja“, beschwert sich Seehofer, „weil man immer nicht richtig zuhört und es auch nicht richtig wiedergibt.“

Worum es ihm geht, hat Seehofer schon Mitte Juli in einem Interview mit der Augsburger Allgemeine­n erstmals zu Protokoll gegeben. Es laufe „eine Kampagne“gegen ihn. Und, sagte er: „Jeder, der es sehen will, sieht.“

Nun, gut zwei Wochen später, sieht der geneigte Zuschauer, wie Seehofer an die Klage des Präsidente­n des Bundesverf­assungsger­ichts, Andreas Voßkuhle, über die Verrohung des politische­n Diskurses erinnert wird. Und unter Verweis auf Voßkuhles Vorwurf „nicht akzeptable Rhetorik“, die allgemein als an die CSU adressiert verstanden wurde, gefragt wird, ob er vielleicht irgendetwa­s bereue. Und das Publikum hört Seehofer antworten: „Also wirklich, ich bin da sehr sensibel.“Und: „Ich habe mich da genau geprüft.“Und: „Ich komme nicht zu dem Ergebnis, dass hier falsche Sätze geprägt worden sind.“Vielmehr, klagt Seehofer, sei er und sei die CSU abqualifiz­iert worden. „Wir sind in Bezug gesetzt worden zu Mördern, zu Nazis, zu Rassisten. Da hat sich überhaupt niemand drum gekümmert.“

Nun ist daran zweierlei nicht ganz korrekt. Zum einen wurde von Seehofers Klagen sehr wohl geschriebe­n und gesendet. Zum anderen waren solche Begriffe in den sozialen Netzwerken zu lesen; Seehofer aber geht es nicht um Facebook oder Twitter. Konkret auf seine Bemerkung zu den 69 an seinem 69. Geburtstag abgeschobe­nen Afghanen angesproch­en und gefragt, ob er kein Verständni­s habe dafür, dass der Satz allgemein als zynisch aufgefasst wurde, kontert Seehofer: „Wenn man es so zur Kenntnis nimmt, wie gerade über die Öffentlich­Rechtliche­n“verbreitet worden sei – dann habe das Publikum ja kaum eine andere Möglichkei­t gehabt. Ihm sei es lediglich darum gegangen, dass die Zahl der Abschiebun­gen steige – „aber nicht als Geburtstag­sgeschenk oder mit großem Wohlgefall­en“.

Schon am Donnerstag hat sich Seehofer ähnlich beklagt. Nicht in Berlin im Fernsehen, sondern in daheim in Bayern, im Bierzelt. „Ich kann fast keinen Tag aufstehen, ohne dass ich wieder mit einer Fake News konfrontie­rt bin.“Wer da nicht an Donald Trump denken musste, pfeift auf Politik. Er werde jetzt selbst twittern, kündigte Seehofer an: „Ich sehe mich dazu gezwungen, weil ich manche Wahrheiten sonst nicht unter eine breitere Bevölkerun­g bringe.“

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Foto: APA Horst Seehofer beim Sommerinte­rview mit dem Ersten.

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