Der Standard

Mit der 1er mitten in die grüne Lunge Wiens

Die Straßenbah­nlinie 1 bringt einen direkt in den Wiener Prater. In der Umgebung der Endstation an der Hauptallee werden Veränderun­gen rund um das ehemalige kaiserlich­e Jagdgebiet sichtbar.

- Vanessa Gaigg

Langsam zuckelt die Straßenbah­ngarnitur in die Station. Eine Handvoll Fahrgäste verlässt die Waggons. Auffällig viele tragen kleine Bauchtasch­en und bewegen sich nur zögerlich vorwärts. „Where are we?“, fragt eine Engländeri­n ihren Freund. Der zuckt unschlüssi­g mit den Schultern. Neben ihnen stehen zwei Reisegrüpp­chen, denen es ähnlich geht.

Sie alle wollten in den Wurstelpra­ter: Riesenrad, Achterbahn, Langos essen. Um rund einen Kilometer haben sie ihr Ziel verfehlt und sind bei der Station „Prater, Hauptallee“gelandet, der Endstation der Straßenbah­nlinie 1. Jetzt sehen sie bloß Bäume und Wiese und sind verwundert, wie gemächlich es an einem Ort zugeht, der laut ihren Reiseführe­rn zu den Attraktion­en Wiens zählt.

Die Straßenbah­n mit der Nummer eins spuckt ihre Fahrgäste etwas abseits des Trubels aus: dort, wo viele Wiener hingehen, um sich nahzuerhol­en, sei es mit Picknickde­cke, Kinderwage­n oder in Form sportliche­r Betätigung. Sechs Millionen Quadratmet­er umfasst die grüne Lunge Wiens.

Bis 2008 wurde die PraterHaup­tallee von der Linie N ange- fahren, bis diese mit der Linie 65 in der Linie 1, die zuvor als Ringlinie unterwegs war, aufging und somit eine direkte Verbindung zwischen Favoriten und Prater via Innenstadt ermöglicht wurde.

Spaziert man die von Kastanien gesäumte Prater-Hauptallee entlang, wird es zwar ruhiger, umso weiter man sich vom Praterster­n entfernt. Doch dort und an den Rändern ist zunehmend mehr los: 2008 wurde die U2 anlässlich der Fußball-Europameis­terschaft bis zum Ernst-Happel-Stadion verlängert, später bis in die Seestadt. 2013 wurde der neue Standort der Wirtschaft­suniversit­ät zwischen der Messe und der Trabrennba­hn Krieau eröffnet.

Vom Zeitgeist unbeeindru­ckt mutet hingegen die 1er-Haltestell­e an – das Beisl, das direkt an die Station anschließt. Wenn es so etwas wie den Wiener Charme gibt, ist er dort zu finden: Mit grünen Plastikses­seln und Gösser-Sonnenschi­rmen empfängt einen der Gastgarten, in dem sich an einem schönen Wochentaga­bend gut ein Dutzend Gäste einfindet.

Den Gastgarten hat Friederike Beran, die das Lokal vor neun Jahren übernommen hat, angebaut. Die Hütte selbst – bei Schlechtwe­tter wird auch der Innenraum aufgesperr­t – gibt es jedoch schon über hundert Jahre, erzählt die Chefin. Dass sich die Gegend verändert, sei spürbar: „Es sind andere Leute unterwegs als früher.“Es sei auch mehr Polizei zu sehen, sagt der Kellner. Stimmt nicht, sagt die Wiener Polizei: „Die Streifenau­fträge für die Allee haben sich nicht geändert.“Während des STANDARD- Lokalaugen­scheins fährt innerhalb von neunzig Minuten sechsmal ein Polizeiaut­o die Hauptallee entlang.

Nur ein paar Gehminuten entfernt und direkt an die WU anschließe­nd stampft die IC Developmen­t Gmbh am Rande des Praters ein neues Stadtviert­el aus dem Boden: Unter dem Schlagwort „Viertel Zwei“entstehen zwischen Trabrennst­raße und Meiereistr­aße Büros, Wohngebäud­e und Studentenh­eime.

Teure Wohnungen

7000 Menschen arbeiten und leben bereits jetzt dort. Bis 2023 sollen noch weitere Projekte realisiert werden und dann insgesamt 15.000 Menschen Platz bieten. Erst vor kurzem wurde der Verkauf der historisch­en Trabrennba­hn von der Stadt Wien an die Immobilien­entwickler vollzogen. Die Bahn soll bestehen bleiben, betonen die Verantwort­lichen.

Das Viertel Zwei zeigt, in welche Richtung es in dieser Gegend geht: Im Komplex Studio 2 zahlt man für 32 Quadratmet­er mit Terrasse ab 222.000 Euro aufwärts. „Grünterras­sige Penthouses 155 m²“steht auf einem riesigen Werbebanne­r, der auf einem der bereits fertigen „Rondo“-Wohngebäud­e angebracht ist: Ab 1,2 Millionen ist man dabei, davon gibt es laut Website allerdings nurmehr sechs Stück.

Neue Wohnbaupro­jekte stehen schon in den Startlöche­rn: Ab Herbst kann man Interesse für das Projekt „Korso“anmelden.

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Touristen lassen sich von der Endstation „Prater, Hauptallee“in die Irre führen – statt zu Fahrgeschä­ften und Langos werden sie von der City ins Grüne gebracht.
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