Das neue alte Bild vom Brückenbauen
Schon der Titel unserer Veranstaltungsreihe Europa neu denken provoziert die Frage, ob wir das Rad neu erfinden müssen? Nach den vielen Diskussionen meine ich, dass man nicht den Titel, sondern den Gedanken modifizieren sollte, Europa weiterzudenken. Wie jede Institution und jeder Organismus muss sich die EU an neue Herausforderungen anpassen. Das, was zentral in den 1950er-Jahren war, ist nicht mehr aktuell in den Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts“, lautet die Conclusio von Johannes Hahn. „Die fundamentale Idee der Europäischen Union ist es, Frieden sicherzustellen“, stellte Gio Hahn, seit 2010 EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen am Ende der eingangs erwähnten Veranstaltung 2017 fest.
Nicht von ungefähr war die Stadt Marseille der Tagungsort des „Michael Fischer Symposions Europa neu denken“im Jahr 2017. Das Antlitz von Marseille, der ältesten aller Städte Frankreichs, spiegelt sich im Mittelmeer. Das Meer trennt und verbindet Europa und Afrika, Kulturen und Religionen. In Marseille selbst ist das Zusammenleben von Christen, Moslems, Buddhisten und Juden gelebter Alltag – mit all seinen Chancen und Konflikten, dem Trennenden und Vereinenden. Und die von Migration geprägte Stadt ist auch ein Spiegel der aktuellen Problematik zwischen Europa und Afrika.
Brücken zu bauen zwischen Nachbarn und gänzlich Fremden, zwischen Nationen und Kulturen, zwischen Generationen und Geschlechtern oder zwischen Wissenschaft und Kunst war naturgemäß das große Thema der aktuellen Tagung. Der nun publizierte Band versammelt Texte von Aleida und Jan Assmann, Barthélémy Toguo, Meriam Bousselmi, Peo Hansen, Adi Ophir, Philippe Pujol, Helga Rabl-Stadler et alii. Lösung gibt es keine, aber Facetten und Nuancen möglichen Zusammenlebens in Frieden.
Gregor Auenhammer
Ilse Fischer, Johannes Hahn (Hrsg.), „Europa neu denken. Band 5: Brücken bauen zwischen Nationen und Kulturen in eine neue Welt“. € 24,00 / 224 Seiten. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2018