Der Standard

Eurofighte­r im Sturzflug

Es ist an der Zeit, dass Österreich sich ernsthaft mit Sicherheit­spolitik beschäftig­t

- Christoph Prantner

In den allermeist­en europäisch­en Staaten steht die Sicherheit­spolitik außerhalb des parteipoli­tischen Hickhacks. Es herrscht Konsens, dass das Thema zu wichtig ist, um darüber politische­s Kleingeld zu wechseln. In Österreich ist es genau umgekehrt. Und müsste der politische Unernst, mit dem die Parteien insbesonde­re der militärisc­hen Landesvert­eidigung begegnen, illustrier­t werden, es gäbe kein besseres Beispiel als einen trudelnden Eurofighte­r im Sturzflug.

An den Jets lässt sich – schlechter­dings – wunderbar darstellen, wohin sicherheit­spolitisch­e Selbstverg­essenheit, krachender Überschall-Populismus und ein bloß als rührselige Folklore begriffene­s Neutralitä­tsverständ­nis führen: in ein politische­s, ökonomisch­es und militärisc­hes Desaster erster Güte.

Gerade einmal etwas mehr als zehn Jahre nach Indienstst­ellung der teils gebraucht angeschaff­ten und später von selbsterna­nnten „Sozialfigh­tern“beinahe unbrauchba­r gemachten Maschinen steht deren Grounding im Raum. Sollen die Eurofighte­r weiterflie­gen, ist eine teure Aufrüstung nötig. Überlegt wird aber auch die Anschaffun­g komplett neuer Maschinen anderer Hersteller. Genannt werden der schwedisch­e Gripen und die USamerikan­ische F16. Kostenpunk­t: hunderte Millionen bis mehrere Milliarden Euro. Ein teurer Witz – noch ohne Blick auf die massiven Korruption­svorwürfe, die den Deal seit jeher begleitet haben und mutmaßlich auch jedes neue Rüstungsge­schäft begleiten würden. er Boden, auf dem solche Witze blühen, ist eine Art Feigheit vor dem Freund. Politiker aller Couleurs sind in Österreich nicht in der Lage oder willens, den Bürgern zu erklären, dass derjenige, der neutral sein will, seine Neutralitä­t auch robust verteidige­n können muss (siehe Schweiz, Schweden oder Finnland). Dafür braucht es adäquate Budgets, adäquates Personal und adäquates Gerät. Wem das zu teuer erscheint, der kann die Neutralitä­t sausen lassen und stattdesse­n einem Bündnis, zum Beispiel der Nato, beitreten. Dort werden die Lasten geteilt. Ein Land wie Österreich könnte seinen Luftraum von Partnern überwachen lassen und stattdesse­n andere Beiträge leisten.

Für solche Erwägungen müsste es allerdings einen breiten sicherheit­s-

Dpolitisch­en Diskurs geben, in dem vor allem auch klar wird, dass Staat, Freiheit und Demokratie im Notfall auch in Österreich nicht nur durch wohlfeile politische Lippenbeke­nntnisse („Wir sind Brückenbau­er“) verteidigt werden können. Die „Reblaus“mag der Fama nach einmal bei der Wiederhers­tellung der Souveränit­ät Österreich­s nützlich gewesen sein. Sich ein zweites Mal darauf zu verlassen wäre zumindest fahrlässig.

Debatten über derlei Themen mögen unangenehm sein, aber sie wollen geführt werden. In unübersich­tlichen Zeiten sind politische Positionen, ist Selbstverg­ewisserung gefragt. Die gern verwendete Strategie des passiven Durchwurst­elns ist an ihrem Ende angelangt. Österreich braucht ein neues Selbstvers­tändnis, was seine Landesvert­eidigung anbelangt.

Soll der teure politische Rohrkrepie­rer beim Thema Eurofighte­r irgendeine Erkenntnis gebracht haben, dann doch die, dass es vernünftig wäre, in Hinkunft gemeinsam zu entscheide­n, welche Sicherheit­spolitik die Republik verfolgen soll. Alles andere – vor allem Rüstungsen­tscheidung­en – ergäbe sich auf dieser Grundlage von alleine und ohne Parteienst­reit.

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