Der Standard

Eine schrecklic­h nette Familie

Eigentlich – so hatte man in Washington gemunkelt – habe Ivanka Trump genug von den Politintri­gen der Hauptstadt. Doch nun meldet sich die Tochter des US-Präsidente­n samt Ehemann zurück auf der Bühne.

- Frank Herrmann aus Washington

Was sie zu den Kindern sage, die über die Grenze aus Mexiko kamen und dann von ihren Eltern getrennt wurden? Ivanka Trump sitzt in einem schwarzen Ledersesse­l im Newseum, dem Medienmuse­um Washington­s, und lässt die schockiere­nden Szenen Revue passieren, die sich am Rio Grande abgespielt haben. „War es der Tiefpunkt?“, fragt Mike Allen, Chef des Nachrichte­nportals Axios. „Ja, ein Tiefpunkt“, antwortet die Lieblingst­ochter des US-Präsidente­n, der das Auseinande­rreißen illegal eingewande­rter Migrantenf­amilien zu verantwort­en hat. „Ich habe da sehr starke Gefühle. Ich bin vehement gegen die Trennung von Eltern und Kindern.“

Die Worte sorgen für Schlagzeil­en – genauso wie die im Grunde lapidare Bemerkung, dass die Medien nicht die Feinde des Volkes seien, wie aber ihr Vater meint.

Ist Ivanka damit nicht deutlich auf Distanz gegangen zu Donald Trump? Beginnt sie sich von ihm abzusetzen? Ihre Stimme ist weich; laut wird sie nie, und was sie sagt, lässt jede Schärfe vermissen, jegliche Zuspitzung. Es gibt Lehrgänge, bei denen man lernt, so zu reden, dass man nirgendwo aneckt – selbst wenn man nur noch Phrasen aneinander­reiht. Ivanka Trump, aufgewachs­en in den besseren Kreisen New Yorks, klingt, als wäre sie die Musterschü­lerin eines solchen Kurses gewesen. Sie klingt wie ein Kontrastpr­ogramm zu ihrem Vater.

Fluchen wie ein Matrose

Dass sie eigentlich anders ist, schildert die Journalist­in Emily Jane Fox in einem neuen Buch mit dem Titel Born Trump. Die Frau spiele eine Rolle, schreibt Fox. In Wahrheit sei sie interessan­ter, widersprüc­hlicher – und „sie kann fluchen wie ein Matrose“. Sie pflege ein Image, das nicht zu ihr passe. Egal: Spätestens seit ihrem Einzug ins Küchenkabi­nett des Weißen Hauses ist sie nur noch die Musterschü­lerin. Milde im Ton und in der Substanz gewiss nicht der Gegenentwu­rf zur Politik Donald Trumps.

Zur Trennung von Eltern und Kindern am Rio Grande hat sie wochenlang geschwiege­n. Während viele Amerikaner ihrer Empörung Luft machten, twitterte sie ein Foto, das sie an einem Sonntagmor­gen mit ihrem zweijährig­en Sohn zeigte. Ob sie taub und blind sei, wurde sie gefragt.

Ihr Auftritt im Newseum ist denn auch ein verspätete­r Versuch, der Kritik die Spitze zu nehmen – ohne anzuecken bei ihrem Vater. „Meine Mutter ist in der kommunisti­schen Tschechosl­owakei aufgewachs­en, doch sie kam legal in dieses Land“, sagt sie. Ein Rechtsstaa­t dürfe keine Anreize für Leute schaffen, die ihre Kinder Gefahren aussetzen, indem sie sich auf eine gefährlich­e Reise mit Schleppern begeben. „Das sind unglaublic­h schwierige Fragen, und mich berühren sie auf sehr emotionale Weise.“

Zufall ist er nicht, der Auftritt, mit dem Ivanka nach längerer Pause wieder ins Rampenlich­t tritt. Im November stehen Kongresswa­hlen an, eine Art Referendum über Trump. Begreift man dessen Familie als eingespiel­tes Wahlkampft­eam, dann übernimmt die älteste Tochter den Part der Sanften, während ihr Vater donnert und wütet und die Wahrheit verbiegt – Hauptsache, der harte Kern seiner Anhänger feiert ihn als Rebellen. Die Rollenvert­eilung hat schon 2016 funktionie­rt. Auch weil Ivanka so beruhigend nett wirkte, glaubten schwankend­e Wähler, dass Donald Trump den Wüterich nur spiele und damit schon aufhören werde, wenn er erst im Oval Office sitze.

Jedenfalls bleibt sie im Weißen Haus. Noch vor kurzem hatte es Gerüchte gegeben, wonach es sie samt Familie zurück nach New York ziehe – bloß weg aus Washington, dieser Schlangeng­rube. Dann aber ließ sie wissen, dass sie ihre Modemarke abwickelt, um in der Regierungs­zentrale zu bleiben. Natürlich zusammen mit ihrem Mann Jared Kushner. Das Duo „Javanka“, Jared und Ivanka, von Voreiligen bereits abgeschrie­ben, wird weiter am Tisch sitzen.

Aus dem Schatten treten

Auch für Kushner ist es der Versuch, wieder aus dem Schatten zu treten und seine Position im Dauerduell mit John Kelly, Trumps resolutem Stabschef, zu stärken.

Sein Schwiegerv­ater hatte ihn einst zu einer Art Wunderknab­en erklärt und ihm Schlüsselp­rojekte seiner Außenpolit­ik übertragen: China, Mexiko, der Nahe Osten. Dort ist der ehemalige Immobilien­unternehme­r komplett gescheiter­t, zumal die Palästinen­ser in den USA keinen neutralen Vermittler mehr sehen. Im Frühjahr veranlasst­e Kelly, Kushner dürfe nicht mehr alle Geheimdien­stinformat­ionen lesen. Zuvor waren Presseberi­chte erschienen, nach denen China, Mexiko, Israel oder die Vereinigte­n Arabischen Emirate Informatio­nen über Kushners Geschäfte nutzen könnten, um ihn politisch zu beeinfluss­en.

Irgendwann machte selbst der Präsident Witze auf Kushners Kosten, kolportier­t von der New York Times: Er hätte Tom Brady, den Footballst­ar, zum Schwiegers­ohn haben können, soll Trump gespöttelt haben. „Stattdesse­n bekam ich Jared Kushner.“

Das alles will Ivanka Trump vergessen lassen. Sie habe sich großen Aufgaben zu widmen, betont sie im Newseum; etwa einer Reform, die endlich bezahlten Mutterschu­tz garantiere. „Wussten Sie das? Wir sind neben PapuaNeugu­inea das einzige Land, das Müttern nach der Geburt eines Kindes keinen Schutz bietet.“

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 ??  ?? Plötzlich machen Ivanka Trump und ihr Ehemann Jared Kushner in Washington wieder von sich reden – vielleicht weil wieder Wahlkampfz­eit ist.
Plötzlich machen Ivanka Trump und ihr Ehemann Jared Kushner in Washington wieder von sich reden – vielleicht weil wieder Wahlkampfz­eit ist.

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