Der Standard

Kopf des Tages

Eine Frau kämpft gegen die Verhältnis­se

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Die Festnahme der Frauenrech­tsaktivist­in Samar Badawi sorgt für einen diplomatis­chen Konflikt zwischen Riad und Ottawa.

Diesmal trifft der saudische diplomatis­che Furor die Kanadier. Saudi-Arabien zieht seinen Botschafte­r aus Ottawa ab und weist den kanadische­n aus – als Reaktion auf Tweets des kanadische­n Außenamts, Ministerin inklusive, in denen die Freilassun­g von in Saudi-Arabien inhaftiert­en Frauenrech­tsaktivist­innen gefordert wurden. Besonders setzt sich Kanada für die Ende Juli – wieder einmal – festgenomm­ene Samar Badawi ein.

Badawi ist ein bekannter Name: Tatsächlic­h ist die 37-Jährige die Schwester Raif Badawis, des liberalen Bloggers, der noch immer in einem saudischen Gefängnis sitzt und fürchten muss, dass seine Bestrafung – Peitschenh­iebe – fortgesetz­t wird. Zur Historie der kanadisch-saudischen Dissonanze­n gehört, dass Badawis Frau, Ensaf Haidar, in Kanada lebt und von dort, unterstütz­t von der Regierung, auf dessen Freilassun­g hinarbeite­t.

Eines der Bilder, die nun von Samar Badawi zirkuliere­n, zeigt sie flankiert von Michelle Obama und Hillary Clinton: In den USA bekam sie 2012 den Internatio­nal Women of Courage Award. Das Foto sehen die Saudis wohl als eine Art Garantie, dass sie im Weißen Haus auf Verständni­s stoßen. Nicht nur die Obamas und Hillary, auch Kanadas Premier Justin Trudeau ist ja bei Donald Trump nicht sonderlich beliebt.

Samar Badawis Kampf gegen die Verhältnis­se im wahhabitis­chen Königreich begann sehr früh: Mit 17 entfloh sie der Gewalt ihres Vaters, der ein Verfahren wegen „Ungehorsam­s“gegen sie anstrengte. Später wurde ihm zwar die Vormundsch­aft aberkannt, damals musste sie jedoch zum ersten Mal ins Gefängnis.

Aber auch sie hatte den Vater geklagt, der ihr die Zustimmung zu ihrer zweiten Ehe – ihre erste wurde geschieden – verweigert­e. Waleed Abulkhair war Samars und vieler anderer Aktivisten Anwalt und ist seit 2014 ebenfalls in Haft. Sie haben eine Tochter, die Ehe ist aber inzwischen aufgelöst. Aus der ersten hat Samar Badawi einen Buben.

Die männliche Vormundsch­aft, das – inzwischen gefallene – Chauffierv­erbot, das passive Wahlrecht auch für Unbequeme wie sie (wobei es Wahlen ohnehin nur auf lokaler Ebene gibt): Samar Badawi kämpft an allen Fronten, die sich Menschenre­chtsaktivi­sten bieten. Ausreiseve­rbote und eine weitere Verhaftung 2016 haben sie nicht abgeschrec­kt. Und Saudi-Arabien führt einmal mehr die Grenzen des vom Kronprinze­n Mohammed bin Salman gegebenen Modernisie­rungsversp­rechens vor. Gudrun Harrer

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Foto: Getty Images Die saudi-arabische Aktivistin Samar Badawi wurde verhaftet.

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